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Liebe und Tod in Havanna

Liebe und Tod in Havanna

Titel: Liebe und Tod in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jérômel Savary
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abgebrüht, aber sie sind zum ersten Mal auf dem Malecón und sie haben eine Scheißangst, aufgegriffen zu werden. Wenn sie also einen Kunden finden, klammern sie sich an ihn wie an eine Rettungsboje. Die meisten von ihnen kommen aus der Provinz, manchmal nur für ein paar Tage. Sie versuchen ihr Glück, dann kratzen sie die paar Dollar zusammen, von denen ihre Familie ein, zwei Monate leben kann, stecken ihre abgelatschten Schuhe wieder in eine Plastiktüte und fahren zurück aufs Land. Und jetzt passen Sie auf, Jo, nach der ganzen Theorie machen wir eine kleine praktische Einführung.«
    Er hielt den Fiat vor einem Mädchen an, das sofort näher kam.
    Sie war höchstens fünfzehn. Unter einem grellbunten, vom Meer durchnässten bauchfreien T-Shirt konnte man winzige Brüste erkennen, ihr runder Po steckte in einer so hautengen Shorts, dass sie beinahe nackt schien, die zarten, aber kurzen Beine standen auf mindestens dreißig Zentimeter hohen Plateauschuhen. Sie wirkte so mädchenhaft, dass Jo hätte schwören können, dass sie noch Jungfrau war.
    »Una mamadita, amor? Diez dollares«, flehte das Mädchen.
    »Was ist das, eine mamadita?«, fragte Jo einfältig.
    »Das, was man auf der ganzen Welt mit dem Mund macht, verstehen Sie?«, erklärte Ricardo belustigt und fuhr wieder los. »Sie sehen alle aus, als ob sie kein Wässerchen trüben könnten. Manchmal sind sie sogar wirklich unschuldig. Es ist ein bisschen wie Lottospielen, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    Das Mädchen lief dem Wagen hinterher.
    »Cinco dollares amor! Una buena mamadita!«
    Ihre Stimme wurde von einer riesigen Welle übertönt, die sie buchstäblich verschluckte.
    Jo fühlte sich sehr müde. Die Unterhaltung mit Ricardo machte ihn trunken. Er schloss die Augen und schlief für ein paar Sekunden ein.
    Die raue Stimme einer Bolerosängerin riss ihn aus seiner Benommenheit. Im Radio klagte die große Omara.
     
    »Ausencia quiere decir Olvido
    Decir tinieblas
    Decir Jamás
    Las aves suelen volver al nido
    Pero las almas que se han querido
    No vuelven más.«
     
    Sie erreichten das Riviera. Kaum waren sie aus dem Wagen gestiegen, fiel auch schon eine Horde Mädchen über sie her, eine aufreizender als die andere.
    »Und die da«, fragte Jo, »haben die keine Angst vor der Polizei?«
    »Hier drin gibt’s eine große Salsadisco, zu der auch Kubaner Zutritt haben, vorausgesetzt, sie können die zehn Dollar Eintritt bezahlen.«
    In der Hotelhalle kreuzten sie eine Menge schmerbäuchiger Mittvierziger mit blutjungen Mulattinnen an der Hand, die entzückt schienen, ihren Sugardaddy gefunden zu haben. Als würden sie am Flughafen als Begrüßungsgeschenke verteilt, dachte Jo, dem Wolinskis treffender Ausspruch in den Sinn kam: »In Kuba ist der Tourist der Analphabet.«
    Mit geübter Geste schob Ricardo die Mädchen beiseite. »Gehen wir in der Bar einen Mojito trinken, Jo, Sie sehen müde aus.«
    Sie hatten sich kaum gesetzt, da standen bereits die perfekten Klone von Grace Jones und Naomi Campbell vor ihnen.
    »Sientense niñas«, sagte Ricardo ohne Umschweife, »pero dejannos tranquilos, tenemos que hablar.«
    Die Mädchen setzten sich schweigend.
    »Sie dürfen sich nicht in der Bar aufhalten, wenn sie nicht in Begleitung eines Ausländers sind, also können sie sich meinetwegen setzen, solange sie nicht nerven.«
    Eines der Mädchen schien Ricardos ausdrückliche Anweisung nicht verstanden zu haben, und schon streichelte sie Jos Schenkel. Sie hatte eine sehr heiße Hand. »Ofresca me un refresco mi amor!«
    »Was genau ist denn ein refresco?«, fragte Jo.
    »Eine Cola, oder sonst irgendwas in der Dose, Hauptsache, es ist Zucker und Sprudel drin!« Ricardo rief die Kellnerin und bestellte zwei Cola.
    »Se toman los refrescos y dejan mi amigo tranquilo ninñs!«
    »Das Problem hier ist, dass die Mädchen charmant und sehr gebildet sind. Man lässt sich schnell in endlose Gespräche verwickeln. Natürlich ist das Klischee, dass die Nutten in Kuba alle promovierte Philosophinnen, Chirurginnen oder Ingenieurinnen sind, etwas überzogen. Aber es stimmt, dass in Kuba jedes Kind zur Schule geht, selbst auf dem Land.«
    Der Barkeeper servierte die Mojitos. Ricardo, der redete wie ein Wasserfall, stieg auf dieses neue Thema ein.
    »Der Mojito ist das Nationalgetränk schlechthin, der hiesige Pastis. Wenn Sie ihn zu süß finden, machen Sie es wie ich: Geben Sie einen Schuss trockenen weißen Rum dazu. Aber auf keinen Fall Añejo, wie sie hier den

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