Liebe und Vergeltung
seine Vorstellungen und wies ihn auf Dinge hin, die er ganz besonders in Erfahrung gebracht haben wollte.
Mr. Slade verlor die Farbe. „Sir, was Sie soeben angedeutet haben, ist ungeheuerlich!“ sagte er erschüttert.
„Sicher, aber ausgeschlossen ist es nicht“, entgegnete Mikahl mit Nachdruck. „Die Tatsache, daß man so etwas kaum für möglich halten würde, ist Weldons bester Schutz. Leider habe ich bis jetzt nichts Konkretes gegen Weldon in der Hand, aber der Instinkt rät mir, in dieser Richtung vorzugehen. Ich bin überzeugt, Sie werden finden, was ich vermute. Ich verlasse mich darauf, daß Sie die berühmte Nadel im Heuhaufen aufspüren, lege jedoch Wert auf größte Diskretion.“ Beklommen nickte der Anwalt und murmelte: „Ich werde tun, was Sie wünschen, Sir. Sollte Ihr Argwohn sich bewahrheiten, erbringe ich Ihnen den Beweis.“
Mikahl lächelte in sich hinein. Ein neuer Fallstrick, vielleicht der wichtigste von allen, wurde für das Netz gewoben, in dem Weldon sich verfangen würde.
Die Sonne strahlte vom Himmel und trug dazu bei, daß die Gartenparty in Haddonfield House ein großer Erfolg wurde.
Dienstbeflissen eilten livrierte Diener durch die Schar erlauchter, sich bestens unterhaltender Gäste und servierten perlenden Champagner. Die Damen in tiefdekolletierten, gestreiften oder kostbar bestickten Roben aus glänzendem Taft, erlesenem Damast und schillerndem Moire sahen mit den weitausladenden Ballonärmeln, den geschnürten Taillen und ausgestellten Röcken wie bunte Schmetterlinge aus. Schwarze, blaue und dunkelbraune Tagesfräcke und kunstvoll gebundene Krawattentücher über geblümten Westen bestimmten das Bild bei den Herren. Musik wehte von dem mit Buchsbaumgirlanden, Wimpeln und eingetopften Orangenbäumchen geschmückten Podest herüber, auf dem das Orchester saß.
Angesichts der fröhlichen, hin und her wogenden Menge blieb Alastair stehen, hielt Mikahl zurück und machte den Freund auf einige der illustren Anwesenden aufmerksam.
Mikahls Gesicht war ausdruckslos, während er den Erklärungen mit halbem Ohr zuhörte, doch innerlich hatte ihn eine fast fieberhafte Erregung ergriffen. Endlich, nach fünfundzwanzig Jahren des Wartens, würde er seinem Feind von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen!
„Noch sehe ich Weldon nicht“, sagte Alastair stirnrunzelnd. „Aber er kommt bestimmt. Glaubst du, daß du ihn erkennst?“
„Ganz bestimmt!“ versicherte Mikahl leise. Das Gesicht seines Peinigers würde er nie vergessen! Es bestand die vage Möglichkeit, daß auch der Baronet ihn erkannte, obwohl Mikahl bei der letzten Begegnung mit ihm nur zehn Jahre alt gewesen war. Der Gedanke, daß Sir Charles vielleicht wissen würde, wen er vor sich hatte, erhöhte noch den Genuß der Rache. Weldon durfte kein ahnungloses Opfer sein. Er sollte merken, daß er in die Enge getrieben wurde. Mikahl wollte ihn sich wehren sehen. Erst dann würde er den bittersüßen Geschmack der Vergeltung voll und ganz auskosten können.
Wenn die Stunde der Abrechnung kam, war der Baronet sicher im Vorteil. Er war ein angesehenes Mitglied der guten Gesellschaft und verfügte über hervorragende Beziehungen. Sollte es wider Erwarten geschehen, daß er Mikahl tötete, würde er dennoch nicht triumphieren können. Mikahl hatte Vorsorge getroffen, daß im Falle seines Todes den Baronet das verdiente Schicksal ereilen würde. Gewiß, das war ein hinterhältiger Entschluß, doch Mikahl sah keinen Anlaß, Rücksicht walten zu lassen. Erst sollte Weldon alles genommen werden, was für ihn von großer Bedeutung war, und der letzte Schlag, den Mikahl ihm versetzte, würde tödlich sein.
„Soll ich dich jetzt einigen der Gäste vorstellen?“
Die Frage des Freundes riß Mikahl aus den Gedanken. „Du kannst dir nicht vorstellen“, antwortete er lächelnd, „welche Ironie des Schicksals es in meinen Augen ist, daß ich jetzt hier stehe und in die respektable englische Gesellschaft eindringe.“
„Ich weiß zwar nicht, was du damit sagen willst, aber ich
stelle fest, daß du die Situation sehr amüsant findest.“ „Allerdings!“ bestätigte Mikahl, schaute auf die vielen Menschen und erkundigte sich neugierig: „Welche der Damen ist deine Cousine?“
„Halte nach der schönsten Rothaarigen Ausschau“, empfahl ihm Alastair und blickte sich suchend um. „Ah, ich sehe sie! Dort hinten, an der anderen Seite des Gartens, unter der Buche. Sie trägt ein cremefarbenes Kleid und unterhält sich mit einem
Weitere Kostenlose Bücher