Liebe und Vergeltung
nicht?“ fragte Charles, und eine leichte Schärfe schwang in seiner Stimme mit.
Aus Sorge, ihn gekränkt zu haben, zwang Sara sich zu einem Lächeln und erwiderte hastig: „Der Ring ist bezaubernd, der Solitär jedoch so groß, daß er dich für meine zerrissenen Handschuhe ein weiteres Vermögen kosten wird.“
„Ich möchte dich mit den erlesensten Gaben überhäufen“, sagte Charles und setzte sich neben sie auf die Marmorbank. „Das Beste ist für dich gerade gut genug.“
Bei dem von ihm angeschlagenen besitzergreifenden Ton beschlich Sara erneut ein unbehagliches Gefühl, doch sie ermahnte sich, nicht zu empfindlich zu sein. Einen Mann zu heiraten, war kein Gang zum Schafott. Sie würde auch nicht die einzige sein, die einen Gatten hatte, den sie nicht liebte. Sie mußte sich nur erst an den Gedanken gewöhnen, daß sie bald vermählt sein würde. Verlegen drehte sie den Ring hin und her und äußerte erstaunt: „Er paßt genau. Ist das nur ein Zufall?“
„Nein. Doreen hat mir die richtige Größe genannt.“
Es verstimmte Sara, daß Charles sich hinter ihrem Rücken bei der Zofe erkundigt hatte. „Das mußte doch nicht sein“, erwiderte sie und krauste die Stirn. „Du hättest mich fragen können.“
„Dreistigkeit ist eine notwendige Voraussetzung für Erfolg, meine Liebe. Und ich bin sehr erfolgreich!“ stellte Charles selbstgefällig fest, machte eine kurze Pause, um die Wirkung der nächsten Wort zu erhöhen, und sagte dann stolz: „Ich habe soeben etwas erfahren, das man auch als Verlobungsgeschenk betrachten kann. Ich werde nicht mehr lange nur Baronet sein. Im nächsten Jahr soll ich den Titel eines Barons erhalten. Baron Weldon! Klingt das nicht schön? Sicher, für die Tochter eines Herzogs ist es ein Schritt nach unten, nur Baronin zu sein, aber lange wirst du dich mit diesem Rang nicht begnü-gen müssen. Ich bin fest davon überzeugt, daß ich schon in absehbarer Zukunft zum Grafen erhoben werde“, fügte er zufrieden hinzu.
„Es würde mich nicht stören, dich zu heiraten, wenn du nur ein schlichter Bürgerlicher wärst“, entgegnete Sara ruhig. Da es ihm so wichtig schien, in den Rang eines Peer aufzusteigen, fügte sie herzlicher hinzu: „Natürlich freut es mich, daß man deine Leistungen anerkennt.“ Aber sie argwöhnte, daß es wohl weniger seine Verdienste um die Menschheit waren, für die er belohnt werden sollte, als vielmehr die beträchtliche finanzielle Unterstützung, die er der Liberalen Partei „Whigs“ zukommen ließ.
„Wir sollten uns auf ein Hochzeitsdatum einigen, Sara“, sagte Charles und ergriff ihre Hand. Ich würde es begrüßen, wenn wir in ungefähr drei Monaten heiraten. Vielleicht in der ersten Septemberwoche.“
„So schnell?“ fragte sie überrascht. „Ich dachte, erst nach einem halben oder einem ganzen Jahr.“
„Warum sollen wir so lange warten? Wir sind keine Kinder mehr“, wandte Charles ein, und ein zärtlicher Ausdruck erschien in seinen hellen blauen Augen. „Und da wir von Kindern sprechen, möchte ich dir mitteilen, daß Eliza uns so rasch wie möglich getraut sehen möchte, um wieder bei mir leben zu können. Sie mag meinen Bruder und seine Frau zwar sehr gern, findet sie jedoch etwas langweilig.“
Charles’ Liebe zu seiner elfjährigen Tochter hatte Sara das Gefühl gegeben, daß er ein guter Ehemann werden würde. „Elizabeth ist ein Schatz“, erwiderte sie lächelnd. „Ich bin froh, daß sie mich akzeptiert. Hat ihr denn niemand erzählt, daß Stiefmütter böse Hexen sein sollen?“
„Eliza ist zu vernünftig, um noch an Märchen zu glauben“, entgegnete Charles. „Sara, ich möchte nicht so lange ausharren müssen, wie du es dir vorstellst. Sag, daß du im September meine Gemahlin wirst.“
Er hatte nicht unrecht. Es gab keinen stichhaltigen Grund, die Trauung hinauszuzögern. „Also gut, Charles“, willigte sie ein.
Er zog sie in die Arme und gab ihr einen Kuß.
Sara hatte es geahnt und schrak nicht zurück. Sie war zwar nicht sehr erfahren und wußte nicht, was Männer bei Frauen voraussetzten, aber die Umarmung fand sie keineswegs lästig. Aber dann spürte sie seine Zunge im Mund und verkrampfte sich unwillkürlich.
Sofort hob Charles den Kopf, atmete tief durch und sagte in bedauerndem Ton: „Es tut mir leid, Sara. Ich habe mich vergessen. Ich wollte dich in deiner Unschuld nicht kränken. Ich werde mich bis zur Hochzeitsnacht gedulden.“
Sara verunsicherte sein gieriger, lüsterner Blick.
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