Liebe unter Fischen
professionelle hilfe. in dem fall psychologische ☺
sms: Rufen Sie Ihre Mails ab, damit ich Ihnen wieder schreiben kann. Das Getippse ist mühsam.
sms: ich kann keine mails abrufen.
sms: ?
sms: ich hab meinen laptop weggeworfen.
sms: Da waren doch sicher neue Gedichte drauf?!
sms: keine sorge. ich habe ihn mit einem hammer zertrümmert und erst dann in die mülltonne getan.
Gespräch, Mobiltelefon
Susanne: Das war ein Scherz.
Fred: Nein, wieso?
Susanne: Sie haben Ihren Computer nicht wirklich zerstört?!
Fred: Schon.
Susanne: Wir müssen miteinander reden.
Fred: Ich brauche keine Hilfe.
Susanne: Ich brauche Hilfe!
Fred: Putze oder Psycho?
Susanne: Ich brauche ein erfolgreiches Buch. Und zwar ziemlich dringend.
Fred: Dann müssen Sie sich einen guten Autor suchen. Versuchen Sie es mal mit einem Krimi. Die sollen gut gehen.
Susanne: Jetzt weiß ich’s. Sie haben den Verlag gewechselt.
Fred: Was?
Susanne: Sie sind jetzt bei Suhrkamp.
Fred: Nein.
Susanne: Bei Hanser!
Fred: Nein!
Susanne: Können wir miteinander essen gehen?
Fred: Nein.
Susanne: Bitte! Alfred! Seien Sie ein bisschen kooperativ. Sie brauchen doch auch Geld!
Fred: Ich schaff das nicht. Ich schaff das nicht, da draußen unter Leuten zu sitzen.
Susanne: Ich komme zu Ihnen.
Fred: Ich weiß nicht.
Susanne: In zwei Stunden. 19 Uhr.
Fred: Heute war schon die Putzfrau da. Ich schaff das nicht. Ich bin müde.
Susanne: Morgen.
Fred: Rufen Sie morgen an.
Susanne: Sie gehen dann wieder nicht ran!
Fred: Ich weiß nicht.
Susanne: Ich bin morgen um 19 Uhr bei Ihnen. Tschüss!
23 . Juni
Fred Firneis und Susanne Beckmann saßen an Freds Esstisch, der seit kurzem wieder als solcher erkennbar war. Die Reinigungskraft hatte ganze Arbeit geleistet.
Während Fred ein Glas Wein nach dem anderen in sich hineinschüttete, aß Susanne sämtliche Papierboxen des Take-away-Asiaten leer. Drei Gerichte für zwei, das sollte reichen, hatte sie gedacht, aber jetzt futterte sie ganz alleine, knusprige Ente, Garnelen mit Ingwer, Rindfleisch mit Koriander.
» Sie sollten auch etwas essen«, sagte sie vorwurfsvoll.
» Ich habe keinen Hunger«, antwortete Fred. » Aber das Zeug ist nicht schlecht. Obwohl es natürlich kein Vietnamese ist, sondern ein Chinese. Er behauptet nur, er wäre Vietnamese, um sich interessant zu machen .«
Susannes iPhone meldete sich. Während sie mit der rechten Hand Garnelen fing, checkte sie mit links die neuen Mails und Postings. Da Fred ohnehin nur trank und vor sich hin starrte, nahm Susanne sich die Zeit, auf ihre elektronische Post zu antworten. Sie schaffte es aber, gleichzeitig zu reden: » Sie sollten sich einen Computer kaufen. Zumindest einen Tablet .«
» Ich will nicht .«
» Sie müssen wieder Anschluss finden. Anschluss an die Welt! Sie müssen kommunizieren! Warten Sie mal. Ich zeig Ihnen was .«
Susanne warf die Garnelenschale in eine leere Papierbox und wischte sich den Mund ab. Sie nahm ihr iPhone, tippte etwas ein, setzte sich neben Fred.
» Sehen Sie mal. Die Facebook-Fanseite, die wir für Sie eingerichtet haben: Sie haben 2768 Freunde! Stellen Sie sich das mal vor! Die liken Sie alle! Hier, lesen Sie: › Jenseits von Mitte ist der beste, ironischste, witzigste, hintergründigste Gedichtband, den ich je gelesen habe. Bitte mehr davon!‹ Das schreibt diese Petra. Gucken Sie mal! Die sieht richtig gut aus. Und hier: ›Felicidades a Fred!‹ Mercedes aus Barcelona. Wir haben in Spanien 3000 verkauft. Und erst die Franzosen, die lieben ja Gedichte. Im Schein der Wolkenkratzer hat dort über 11 . 000 verkauft! Hier, eines der vielen Postings: ›Bonjour, je dévore A la lueur des gratte-ciels . Je ris, je pleure! Merci! Isabelle, Paris .‹«
» Lauter Frauen«, seufzte Fred missmutig.
» Nein, auch Männer. Hier, ein Uni-Professor aus den USA . Germanist: ›I loved your books ( Jenseits von Mitte and Im Schein der Wolkenkratzer ). Will there be more poems?‹ Sie machen die Menschen da draußen glücklich, Fred. Die wollen Sie. Die lechzen nach Neuem !«
» Wer hat Ihnen überhaupt erlaubt, diese Facebook-Seite zu machen ?«
» Alfred, die Werbung mit neuen Medien ist Teil des Vertrags. Es wäre höchst unprofessionell von uns, keine Facebook-Fanseite für unseren erfolgreichsten Schriftsteller einzurichten .« Susanne ließ drei Stück Ente gleichzeitig in ihrem Mund verschwinden, was Fred mit dem Leeren seines Glases beantwortete.
» Ich wette, die meisten haben die Gedichte gar nicht
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