Liebe unter kaltem Himmel
mit dem Regenten verschaffte ihm neben anderen Vergünstigungen auch die Grafenwürde. Nachdem die ganze Familie seiner Mutter während der Schreckensherrschaft in Frankreich ausgelöscht worden war, nahm er ihren Namen als Titel an. Er war ungeheuer reich und gab ungeheuer viel aus, hegte eine Vorliebe für französische Kunstgegenstände und kaufte in den Jahren nach der Revolution eine großartige Kollektion zusammen, darunter viele Stücke aus den königlichen Haushaltungen und andere, die von Plünderern aus dem Hôtel de Montdore in der Rue de Varenne geraubt worden waren. Um für diese Sammlung eine angemessene Umgebung zu schaffen, machte er sich daran, in Hampton das große, schlichte Haus niederzureißen, das der berühmte Adam für seinen Großvater gebaut hatte, und stattdessen ein gotisches Château Stein für Stein aus Frankreich nach England herüberzuschaffen (wie es heutzutage angeblich die amerikanischen Millionäre tun). Dieses Château baute er um einen prachtvollen, von ihm selbst entworfenen Turm wieder zusammen, verkleidete die Zimmerwände mit französischer Holztäfelung und Seide und umgab das Ganze mit einer formvollendeten Landschaft, die er ebenfalls selbst entwarf und selbst anlegte. Alles war sehr großartig und sehr verrückt und in der Zeit zwischen den Weltkriegen, über die ich hier schreibe, auch sehr altmodisch. »Vermutlich ist es schön«, sagten die Leute, »aber offen gestanden, begeistert bin ich nicht.«
Dieser Lord Montdore erbaute auch Montdore House an der Park Lane in London und ein Schloss auf einer Felsenspitze in Aberdeenshire. Er war der bei Weitem interessanteste und originellste Charakter, den die Familie je hervorgebracht hatte, aber jedes ihrer Mitglieder wahrte das überkommene Ansehen. Einen tüchtigen, ehrenwerten, mächtigen Hampton mit enormem Einfluss in Westengland, dessen Rat auch in London nicht unbeachtet blieb, findet man auf jeder Seite der englischen Geschichte.
Diese Tradition wurde auch von dem Vater meiner Freundin Polly Hampton fortgeführt. Wenn es unter Engländern je einen Abkömmling der Götter gab, dann ihn; so sehr verkörperte er den englischen Edelmann, dass diejenigen, die an die Adelsherrschaft glaubten, zur Rechtfertigung ihrer Thesen stets zuerst auf ihn verwiesen. Jeder war der Meinung, dass es sehr viel besser um dieses Land bestellt wäre, wenn es mehr Menschen seines Schlages gäbe, und sogar die Sozialisten räumten seine Vortrefflichkeit ein – sie konnten es sich leisten, weil es nur einen Mann wie Lord Montdore gab und dieser eine obendrein immer älter wurde. Gelehrter, Christenmensch und Gentleman, der beste Schütze der Britischen Inseln, der bestaussehende Vizekönig, den wir je nach Indien entsandten, ein allseits beliebter Grundbesitzer, ein Stützpfeiler der Konservativen Partei, kurzum, ein wunderbarer alter Herr, der niemals etwas Nichtswürdiges tat noch dachte. Meine Cousine Linda und ich, zwei respektlose kleine Mädchen, auf deren Ansichten es nicht ankam, hielten ihn indessen für einen wunderbaren alten Heuchler, denn uns schien, dass in seinem Hause in Wirklichkeit Lady Montdore das Zepter führte. Lady Montdore ihrerseits tat und dachte fortwährend Nichtswürdiges. Sie war außerordentlich unpopulär und so verhasst wie ihr Gatte beliebt, dergestalt, dass jede Handlung, die man seiner nicht für würdig hielt oder die seinem Ansehen nicht gemäß schien, sogleich ihr zur Last gelegt wurde. »Bestimmt steckt wieder sie dahinter.« Andererseits habe ich mich oft gefragt, ob er jemals etwas wirklich Bemerkenswertes in der Welt zuwege gebracht hätte, wenn sie ihn nicht gedrängt und geschoben hätte, wenn sie für ihn nicht die Pläne geschmiedet und intrigiert und »dahintergesteckt« hätte und wenn ihr hierbei nicht ebenjene Eigenschaften zu Hilfe gekommen wären, derentwegen sie so unbeliebt war, ihre Hartnäckigkeit, ihr Ehrgeiz, ihre nimmermüde Betriebsamkeit.
Sehr populär ist diese Theorie nicht. Man sagt mir, zu der Zeit, da ich ihn näher kennenlernte, nach der Rückkehr der Familie aus Indien, sei er schon alt und erschöpft und kampfesmüde gewesen, während er in der Blüte seiner Jahre nicht nur über die Geschicke der Menschen geboten, sondern auch die vulgäre Art seiner Frau in Zaum gehalten habe. Ich bezweifle das. Lord Montdore hatte nämlich etwas derart Unkräftiges an sich, einen Mangel an Wirkung, der durchaus nicht mit dem Alter zusammenhing; gewiss, er bot einen schönen Anblick,
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