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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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Tromøy-Kirche vorbei? Die ist zumindest schön. Aus dem dreizehnten Jahrhundert. Es gibt da ein paar fantastische Grabsteine aus dem 17. Jahrhundert mit Schädeln und Stundenglas und Schlangen. In einer meiner ersten richtigen Erzählungen habe ich eine Grabinschrift benutzt. Als Epigraf.«
    Alle Orte, die ich in mir barg, die ich im Laufe meines Lebens so unendlich oft vor mir gesehen hatte, zogen an den Fenstern vorbei, aber ganz ohne Ausstrahlung, vollkommen neutral, so wie sie wirklich waren. Ein paar Felsen, eine kleine Bucht, ein verfallener Bootssteg, eine schmale Bucht, ein paar alte Häuser dahinter, eine Ebene, die zum Wasser hin sanft abfiel. Das war alles.
    Wir stiegen aus dem Auto und gingen zum Friedhof. Liefen ein bisschen herum und blickten aufs Meer hinaus, doch selbst das und selbst der Anblick der Kiefern dort, die bis zum Geröllufer hinunterwuchsen, immer kleiner, je näher sie dem nackten Wind kamen, erweckte in mir nichts zum Leben.
    »Na komm, wir fahren«, sagte ich, sah die Felder, auf denen ich im Sommer gearbeitet hatte, den Weg zum Wasser, auf dem wir oft schon um den 17. Mai herum schwimmen gegangen waren. Das Haus meiner Lehrerin, wie hieß sie noch, Helga Torgersen? Mittlerweile musste sie auf die sechzig zugehen. Færvik, die Tankstelle, das Haus auf der anderen Seite, in dem die Mädchen in unserer Klasse auf einer Fete eines Abends kurz vor unserem Umzug so aufgedreht gewesen waren, der Supermarkt, an dessen Bau ich mich noch erinnerte.
    Das war nichts. Dennoch wurden in diesen Häusern weiter Leben geführt, und in diesen waren sie noch immer alles.
Dort wurden Menschen geboren, dort starben Menschen, dort wurde geliebt und gestritten, gegessen und geschissen, getrunken und gefeiert, gelesen und geschlafen. Ferngesehen, geträumt, geputzt, ein Apfel verspeist und auf die Hausdächer hinausgeschaut, und es gab die Herbstwinde, die an den langen, schlanken Kiefern zerrten.
    Klein und hässlich, aber alles, was es gab.
     
    Eine Stunde später saß ich alleine am Wohnzimmertisch und aß mit Volldampf Krabben, aufgetragen von Geirs Vater, der selber keine wollte, aber gerne dafür sorgte, dass ich vor meiner Abreise noch etwas typisch Südnorwegisches erlebte. Dann gab ich ihnen die Hand, bedankte mich für Kost und Logis, setzte mich ein weiteres Mal neben Geir ins Auto und fuhr zum Flughafen. Wir nahmen die Route über Birkeland, weil ich sehen wollte, wie das zweite Zuhause meiner Kindheit heute auf mich wirkte.
    Geir hielt unterhalb des Hauses. Er lachte.
    »Da hast du gewohnt? Mitten im Wald? Das Haus liegt ja völlig isoliert! Hier ist doch kein Mensch! Es ist so verlassen … Das reinste Twin Peaks, wenn du mich fragst. Oder wie bei diesen Puppen im Fernsehen, Pernille und Mister Nelson, erinnerst du dich an die? Die haben mich als Kind in Angst und Schrecken versetzt.«
    Er lachte weiter, während ich ihm alles zeigte. Und ich musste auch lachen, denn ich sah alles mit seinen Augen. Die vielen alten, verfallenen Häuser, die Autowracks auf dem Hof, davor die geparkten Lastwagen, wie viel Platz hier zwischen den Häusern lag, und wie ärmlich alles wirkte. Ich versuchte, ihm zu erklären, wie hübsch unser Haus gewesen war, und wie toll ich es gefunden hatte, hier zu wohnen, dass alles hier war, aber …
    »Ach, nun komm schon!«, sagte er. »Es muss doch eine Strafe gewesen sein, hier zu wohnen.«
    Ich antwortete nicht, war ein wenig gereizt, hatte das Bedürfnis, es zu verteidigen, konnte mich jedoch nicht dazu durchringen. Es war hier wieder das Gleiche: das innere Erlebnis, das alles sinnhaft glühen ließ, hatte keine Entsprechung im Äußeren.
    Wir gaben uns auf dem Parkplatz die Hand, er setzte sich ins Auto, und ich schlenderte zur Abflughalle. Das Ziel meines Flugs war Oslo, von dort aus würde ich nach Billund in Dänemark fliegen, von wo aus es wiederum zum Flughafen Kastrup in Kopenhagen gehen würde. Erst um zehn Uhr abends würde ich zu Hause sein. Als ich heimkam, umarmte mich Linda lange und zärtlich, wir setzten uns ins Wohnzimmer, sie hatte gekocht, ich erzählte von meiner Reise, sie meinte, am letzten Tag sei es besser gegangen, aber ihr sei klar geworden, dass wir etwas tun mussten, um aus dem Teufelskreis auszubrechen, in dem wir gefangen waren, und ich gab ihr Recht, so ging es nicht weiter, es ging einfach nicht, wir mussten da herausfinden und einen neuen Weg einschlagen. Um halb zwölf begab ich mich ins Schlafzimmer, schaltete den PC ein, öffnete

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