Lieben: Roman (German Edition)
ein neues Dokument, begann zu schreiben.
Im Fenster vor mir sehe ich vage den Widerschein meines Gesichts. Abgesehen von den leuchtenden Augen und der Partie unmittelbar darunter, die matt ein wenig Licht reflektiert, liegt die gesamte linke Hälfte im Schatten. Zwei tiefe Furchen durchziehen meine Stirn, eine tiefe Furche führt auf jeder Wange nach unten, jede von ihnen mit Dunkelheit gefüllt, und wenn die Augen so ernst sind und stieren und die Mundwinkel nach unten zeigen, ist es völlig ausgeschlossen, dieses Gesicht nicht düster zu finden.
Was hat sich darin eingebrannt?
Am nächsten Tag machte ich weiter. Die Idee war, meinem Leben so nahe zu kommen wie möglich, also schrieb ich über Linda und John, die im Nebenzimmer schliefen, Vanja und Heidi, die im Kindergarten waren, die Aussicht aus dem Fenster, die Musik, die ich hörte. Am nächsten Tag fuhr ich in unsere Schrebergartenlaube, wo ich mehr schrieb, einige hochmodernistische Passagen über Gesichter und über die Muster, die es in allen großen Systemen gab, Sandhaufen, Wolken, Wirtschaft, Verkehr, wobei ich von Zeit zu Zeit in den Garten hinaus ging und rauchte und die Vögel am Himmel beobachtete. Es war Februar und kein Mensch zu sehen in der riesigen Schrebergartenkolonie, nur Reihe auf Reihe kleiner, gut gepflegter Puppenhäuser in ebenso kleinen Gärten, die so perfekt waren, dass sie Wohnzimmern glichen. Gegen Abend kam eine gewaltige Schar von Krähen angeflogen, es müssen Hunderte gewesen sein, eine dunkle Wolke aus flatternden Flügeln, die vorbeitrieb und verschwand. Die Nacht senkte sich herab, und abgesehen von dem, was das Licht, das aus der offenen Tür am anderen Ende des Gartens strömte, sichtbar machte, war alles um mich herum dunkel. Ich saß dort so still, dass ein Igel nur einen halben Meter vor meinen Füßen vorbeiwatschelte.
»Du kommst hier vorbei«, sagte ich und wartete, bis er die Hecke erreicht hatte, ehe ich aufstand und hineinging. Am nächsten Morgen begann ich, über das Frühjahr zu schreiben, in dem Vater sich von mir und Mutter getrennt hatte, und obwohl ich jeden Satz hasste, beschloss ich weiterzumachen, ich musste es hinter mir lassen, die Geschichte erzählen, die ich so lange zu erzählen versucht hatte. Wieder daheim machte ich weiter, in einigen Notizen, die ich mit achtzehn niedergeschrieben und aus irgendeinem Grund nicht weggeworfen hatte, stand »Tüten mit Bier im Straßengraben«, was auf einen Silvesterabend in meiner Jugend anspielte, das konnte
ich benutzen, solange ich es einfach laufen ließ und den Gedanken aufgab, das Höchste erreichen zu wollen. Die Wochen vergingen, ich schrieb, brachte die Kinder in den Kindergarten oder holte sie ab, kochte, las ihnen vor und brachte sie ins Bett, arbeitete abends an Gutachten und anderen kleineren Sachen. Jeden Sonntag fuhr ich mit dem Fahrrad zum Limhamnsfeld hinaus und spielte zwei Stunden Fußball, es war meine einzige Freizeitaktivität, bei allem anderen ging es entweder um die Arbeit oder die Kinder. Das Limhamnsfeld war eine weitgestreckte Grasfläche direkt am Meer. Seit Ende der sechziger Jahre hat sich dort jeden Sonntag um Viertel nach zehn eine bunte Schar von Männern versammelt. Die jüngsten sind manchmal sechzehn, siebzehn, während der älteste, Kai, fast achtzig ist – er spielt außen und muss den Ball exakt auf den Fuß bekommen, aber wenn er ihn einmal hat, ist immer noch so viel Fußball in ihm, dass ihm ein Zuspiel glückt und er ab und zu sogar ein Tor schießt. Die meisten sind jedoch zwischen dreißig und vierzig, stammen aus allen gesellschaftlichen Schichten und sind verschiedener Herkunft, und das Einzige, was sie alle vereint, ist die Freude am Fußballspiel. Am letzten Sonntag im Februar kamen Linda und die Kinder mit, Vanja und Heidi feuerten mich anfangs ein wenig an, aber dann gingen sie zu einem Spielplatz am Strand, während ich weiterspielte. Der Boden war gefroren, die normalerweise weiche Grasdecke steinhart, und als ich nach einer Stunde bei einem Zweikampf durch ein Tackling das Gleichgewicht verlor und direkt auf der Schulter landete, begriff ich augenblicklich, dass etwas passiert war. Ich blieb liegen, die anderen versammelten sich um mich, mir war vor Schmerzen übel, ich ging langsam und gebückt hinter das Tor, die anderen erkannten, dass ich mir nicht nur einen blauen Fleck geholt hatte, und die Partie wurde abgebrochen, es war ohnehin schon halb zwölf.
Fredrik, ein Schriftsteller Anfang fünfzig und
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