Liebenswerte Langhälse - über den artgerechten Umgang mit Gänsen
das Gatter gespannt werden.
Bei anhaltend schlechter Witterung bleiben die Gössel im Stall, werden aber in der zweiten Woche, sofern es das Wetter einigermaßen zulässt, ein- bis zweimal täglich für fünf Minuten ins Freie geführt, damit sie abhärten. Je älter sie werden, desto länger können sie draußen bleiben. Ich betone aber noch mal, dass sie in den ersten vier Wochen immer zu ihrer Wärmequelle zurückfinden müssen und ihr Aufenthalt draußen vom Wetter abhängig ist. Sie dürfen keinesfalls nass werden und unterkühlen. Erst ab der fünften Lebenswoche benötigen sie keine Wärmequelle mehr. Ein Regen- beziehungsweise Sonnenschutz sollte den Junggänsen auf der Weide immer zur Verfügung stehen. Bei großer Greifvogelpopulation müssen, bis die Tiere etwas größer sind, entsprechende Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden.
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Wenn unsere Junggänse zwölf Wochen alt sind, lassen wir vorsorglich Sammelkotproben beim Tierarzt auf einen eventuellen Wurmbefall untersuchen. Das tun wir bei allen unseren Gänsen in regelmäßigen Abständen.
Junge oder Mädel?
Im Alter von etwa 15 Wochen kommen die Junggänse in den Stimmbruch. Nun klingen ihre kindlichen Lautäußerungen etwas tiefer, und wer genau hinhört, wird feststellen, dass einige eine tiefere, rauere und andere eine etwas höhere, hellere Stimme haben. Die tieferen Stimmen sind in der Regel die der Mädels, ganz sicher hört man das aber nur mit viel Erfahrung heraus. Junge Ganter sind normalerweise etwas kräftiger, ihre Körperhaltung ist aufrechter als die der Gänse. Der Kopf weiblicher Tiere ist meist feiner, der Hals etwas schlanker und die Beine sind nicht so hoch gestellt. In der Bauchregion neigen Gänse mit rassebedingter Wammenveranlagung früher zur Bildung einer solchen als junge Ganter. Diese entwickeln zunehmend ihr Imponiergehabe. Sind es mehrere Jungs, gehören „Machtspielchen“ untereinander zum Erwachsenwerden dazu. Das gegenseitige „Sich-besteigen-Wollen“ junger Ganter im Wasser ist eines davon.
Die sicherste Methode der Geschlechterbestimmung ist aber die Untersuchung der Kloake. Diese wird durch sanften, vorsichtigen Druck ausgestülpt. Beim Ganter wird so das korkenzieherförmige Glied sichtbar. Da diese Untersuchung aber sehr viel Übung und Fingerspitzengefühl voraussetzt, sollte sie nur von erfahrenen Züchtern vorgenommen werden. Eventuell findet man im ortsansässigen Rassegeflügelverein jemanden, der die Geschlechterbestimmung vornehmen kann.
Fit und gesund – ein Gänseleben lang!
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Wache Augen, kräftige Schnabelfarbe – so sehen gesunde Gänse aus. (Foto: Dr. Richard Maurer)
Vorbeugen ist besser als heilen. Diese alte und einfache Wahrheit sollte sich jeder Gänsehalter zu Herzen nehmen. Wenn wir unsere Gänse gewissenhaft versorgen und ihre Bedürfnisse bezüglich Fütterung und Haltung erfüllen, können wir zumindest jene Krankheiten, die durch Haltungsfehler entstehen, verhindern. Aber auch wenn man sich noch so sehr um das Wohl seiner Gänse bemüht, ist man gegen Krankheiten nicht gefeit.
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Vorsorge
Nur wer seine Gänse genau beobachtet, wird frühzeitig erkennen, wenn eines seiner Tiere sich nicht wohlfühlt. „Das Auge des Herrn mästet sein Vieh“, besagt eine alte Bauernweisheit. In unserem Fall muss es heißen: „Das Auge des Herrn erhält sein Vieh.“ Denn allein das äußere Erscheinungsbild einer Gans kann schon viel über ihr Wohlbefinden aussagen. Gänse, die mit wachen, aufmerksamen Augen, glattem Gefieder und lebhaften Schritten über ihren Auslauf stolzieren, einen guten Appetit haben und auch sonst keine Anomalien aufweisen, erfreuen sich in der Regel bester Gesundheit.
Ich vergewissere mich schon bei der morgendlichen Fütterung, ob auch jede Gans am Trog ist. Wenn alle Köpfe hungrig in der Futterkrippe picken, ist alles im grünen Bereich. Sollte eine jedoch auffällig viel trinken und lustlos, kopfschüttelnd im Futter herumpicken, läuten bei mir sofort die Alarmglocken. Solche Tiere muss man im Auge behalten.
Vom Scheitel bis zum Paddel – das Exterieur der Gans. (Zeichnung: Susanne Retsch-Amschler)
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Schnabel-Check: Wenn eine Gans Probleme mit der Nahrungsaufnahme hat, sollte man einmal in ihren Schnabel sehen. Entzündungen in der Schnabelhöhle sind bei Gänsen zwar selten, kommen aber vor. Sie können durch Dornen, spitze Steinchen, Holzspäne oder andere aufgenommene Gegenstände entstehen. Ich hatte einmal eine Junggans, bei der sich ein
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