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Lieber Osama

Lieber Osama

Titel: Lieber Osama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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aber reell? Die dachten wahrscheinlich, das versteht sich von selbst.
    - Tut mir Leid, sagte Jasper Black. Jetzt hältst du mich sicher für einen kompletten Idioten?
    Er wurde rot und spielte mit seinem Autoschlüssel. Wahrscheinlich hatte ich es übertrieben.
    - Nein. Natürlich bist du kein Idiot. Im Gegenteil, du bist eigentlich ganz süß. Ein Idiot bist du nur, weil du nicht auf Fußball stehst.
    Jasper grinste.
    - Na, wahrscheinlich habe ich noch nicht begriffen, was den Reiz von Fußball ausmacht, sagte er.
    - Es kostet nicht viel, und deshalb stehen Leute wie du nicht darauf. Nächste Frage.
    - Und was ist mit dir?, sagte Jasper Black. Gehst du denn nicht hin?
    - Ich? Nein, ich gehe nie zu einem Spiel, das macht mich fickrig. Ich gucke sie mir nur im Fernsehen an. Versteh mich nicht falsch, ich liebe Arsenal, schon seit meiner Kindheit.
    - Also, ich glaube ja nicht, dass ich mein Leben lang ein und derselben Mannschaft treu sein könnte. Das widerstrebt mir irgendwie. Aber dafür fahre ich einen super Schlitten.
    Er nickte in Richtung seines Aston Martin DB7 und lachte. Ich lachte auch.
    - Schön, wenn sich einer nicht so ernst nimmt.
    Jasper zuckte die Achseln. Ich hätte dasselbe getan, doch mit zwei schweren Tesco-Tüten ist das nicht ganz leicht, deshalb sagte ich was ausgesprochen Dämliches.
    - Tja, wenn dir das Spiel sowieso schnuppe ist, kannst du es dir auch bei mir im Fernsehen angucken. Und ich erkläre dir, was du wissen musst, um auf deiner nächsten Party ganz groß rauszukommen. Vor allem verrate ich dir, warum Arsenal die beste Mannschaft der Welt ist.
    - Im Ernst?, sagte Jasper Black. Das ist ja wunderbar.
    - Aber damit das gleich klar ist: Nur zum Reden. Es wird nicht miteinander geschlafen.
    - Ach, tatsächlich?, sagte Jasper Black. Schade.
    - Ja, tatsächlich. Ich meine, es hat Spaß gemacht mit dir, aber mehr passiert nicht zwischen uns. Ich war neulich nur mit den Nerven runter, aber jetzt bin ich drüber hinweg. Überhaupt wird alles anders. Mein Mann kündigt am Montag gleich als Allererstes seinen Job, und ich brauche keine Angst mehr zu haben. Und nun, wo wir das geregelt haben, willst du immer noch mitkommen?
    - Kommt drauf an, sagte Jasper Black. Es gibt doch keinen Aal-Auflauf, oder?
    - Nein, Fischstäbchen. Und das ist keine Ironie, sondern mein Mittagessen.
    Oben in der Wohnung machte ich gleich die Glotze an. Es lief schon das Vorprogramm für das große Lokalderby. Die Kommentatoren meckerten über das neue Stadion: dass es längst nicht die Atmosphäre hätte wie das alte in Highbury. Und hängten noch einen Witz dran, wie Arsenal-Fans das neue Emirates Stadium wirklich nannten, was sie natürlich im Fernsehen nicht laut sagen konnten, weil Arsenal-Fans eben ziemliche Lästermäuler sind. Sie zeigten das Areal aus der Luft, und man konnte gut erkennen, wie 2 große Ströme dort zusammentrafen, ein roter und ein blauer. Die Gruppen wurden schon auf der Straße getrennt. Du tätest das nicht, was, Osama? Du meinst, du kennst den Dschihad, aber ich sage dir, du hast keine Ahnung, bis du mal erlebst, was passiert, wenn man Arsenal- und Chelsea-Fans aufeinander loslässt.
    Die Stimmung war unglaublich, selbst Jasper Black starrte in die Glotze. Die Fans sangen sich warm, und ständig wurden es mehr. Angeblich passten 60.000 Leute in das neue Stadion, und es sah so aus, als würde dieser Platz auch dringend gebraucht. Es war der 1. Mai, es war wunderschön draußen, und es war für beide Vereine das letzte Spiel der Saison. Die Gunners lagen nur einen einzigen Punkt vor Chelsea, also brauchte man kein Prophet zu sein, um zu ahnen, dass halb London die Partie sehen wollte.
    Ich ließ Jasper Black im Wohnzimmer, während ich die Fischstäbchen in den Ofen schob. Schon als kleines Kind mochte ich Fischstäbchen. Und ich schaue noch immer gern zu, wenn sie im Ofen alle genau auf die gleiche Weise goldbraun werden.
    - Reichen 4 für dich?
    - Ja, sagte Jasper Black. 4 sind perfekt.
    - Gut. Es gibt Pommes dazu.
    Ich holte die Fritten aus der Tiefkühltruhe und tat sie in die Mikrowelle. Jasper kam eben aus dem Wohnzimmer, als sein Handy klingelte. Er klappte es auf, sagte: Hallo, Petra, und hielt es etwas vom Ohr weg. Ich hörte Petras Stimme aus dem Handy quäken, vornehm und blechern wie die Queen in Alufolie. Jasper Black sah mich unverwandt an.
    - Ja, sagte er. Ja, ich bin auf dem Weg zum Spiel. Was? Guter Gott, Petra, hast du noch nicht genug Schuhe? Na gut. Versuch mal, nicht

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