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Liebesbisse

Liebesbisse

Titel: Liebesbisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Castillon
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Toleranz
     
    Mein Mann ist ein Idiot. Seine Dummheit ist für mich eine Beleidigung, jeder Abend außer Haus eine Prüfung. Im Theater freut er sich, wenn er nicht hinter einer Person mit Hut sitzt, im Restaurant, wenn er nicht neben einem Raucher sitzt. In der Oper fragt er sich, ob der Dirigent schwitzt. Nebenbei trainiert er seine Muskeln!, sage ich, um seinen Gedanken aufzunehmen. Wenn er im Fernsehen eine Diskussion verfolgt, lacht er manchmal schallend, und wenn ich ihn frage, wieso, sagt er: Hast du seine Haare gesehen? Sieht aus wie ein Schrubber! Ich lache auch, denn dann muss ich nicht denken.
    Er knallt mir all diese Albernheiten hin, und ich schlucke sie. Ich sollte ihn wachrütteln, ihn von diesem Blödsinn abbringen, doch ich pflichte ihm bei. Es ist stärker als ich. Dreihundertachtzig Schritte bis zur Hauptstraße? Ach ja? Ich hätte weniger geschätzt. Eine Temperaturschwankung von einunddreißig Grad in drei Monaten? Und einundneunzig Stufen an der Métro-Station? Dabei waren unten an der Treppe nur neunzig angegeben. Verliebt, verblüfft, als hätte er gerade das Phänomen der Elektrizität entdeckt, tue ich so, als würde mich all das interessieren. Ich stelle ihm sogar knifflige Fragen: Wie viel englische Pfund enthält ein Dekaliter? Und wie viel ist das in Fuß? Wir kommen richtig gut voran.
    »Man kann ihn überallhin mitnehmen, die Schale schützt ihn – der Apfel ist somit eine ideale Frucht«, erklärt er und nickt, wie um sich selbst zuzustimmen.
    »Die Banane ist noch besser!«, sage ich mit Feuereifer. »Ihre Schale ist dicker, und man braucht kein Messer, um sie zu schälen.«
    Ich werde zu seiner Komplizin. Mein Mann lächelt verdutzt und zufrieden; daran hatte er nicht gedacht.
    »Auch die Litschi ist leicht zu schälen. Doch sie eignet sich nicht dazu, dass man sie in die Tasche steckt, sie verdirbt leicht.«
     
    Manchmal frage ich mich, ob er vielleicht einen Unfall hatte, von dem er mir nichts gesagt hat. Vielleicht ist er gegen einen Strommast gekracht und hat einen elektrischen Schlag bekommen, von dem niemand etwas weiß. Und er selbst erinnert sich nicht daran. Und in diesem perfekten Geheimnis ist er schließlich verblödet. Wenn es wirklich mal richtig schlimm ist, frage ich ihn, ob er sich sicher sei, dass alles in Ordnung ist. Dann antwortet er: ’nordnung. Ich will ihm Vitamine geben, seinen Stoffwechsel ein wenig anregen, doch er lehnt sie murrend ab. Dann nehme ich sie, ich will in Form bleiben. Es ist nicht einfach, immer auf Augenhöhe mit einem Mann zu sein, der sich dafür begeistern kann, dass ein Zweierpack Joghurt billiger ist als eine Vierundzwanzigerpackung, wenn man nur wenig Joghurt isst. Ich versuche, sein Interesse für etwas zu wecken, für Musik etwa, aber bei klassischen Konzerten schläft er ein, und von Opern bekommt er schlechte Laune.
    In Logik ist er gut. Alles, was ineinander passt, kann man zusammenfügen – das beherrscht er wirklich. Diese Fähigkeit hat uns sehr geholfen, als wir die Möbel aufgestellt haben –, aber was fangen wir jetzt damit an, nachdem wir nun eingerichtet sind? Ich dachte an Modellbausätze, aber leider haben wir dafür zu wenig Platz. Beim Puzzle würden zu viele Teile herumliegen, und ich habe ohnehin schon Probleme mit den Knien, außerdem wäre es mir recht, wenn ich mich nicht bücken müsste, um alles aufzusammeln, was er liegen lässt. Und was Lego-Steine angeht – zum Glück haben wir keine Kinder. Die Sprüche meines Mannes reichen mir, da brauche ich nicht auch noch einen Sprössling.
    Vor Kurzem habe ich mich über die Erfindung von Reinigungstüchern gefreut, genau wie er es getan hätte. Ich dachte, ich werde verrückt, ich fühlte mich zu Unrecht von ihm angesteckt. Er schnappte sich so ein Ding und schrubbte das Bad. Mit dem Récurex-Lappen in der Hand wischte er weiter, ohne zu merken, wie verstört ich war.
    »Schau, das gibt einen Film auf dem Waschbecken.«
    »Spül ihn ab.«
    »Nein, das geht nicht. Er bleibt kleben.«
    »Versuch’s noch mal!«
    »Dann zerkratze ich die Beschichtung. Sie ist ganz matt, es wird nie wieder sein wie zuvor. Das neue Récurex ist ganz anders als das alte.«
    »Ach ja? Du meinst, der Unterschied ist so gravierend?«
    »Hörst du mir denn nicht zu? Sie haben die Zusammensetzung geändert.«
     
    Ich beschließe, einen entscheidenden Schritt zu machen. Gehen oder bleiben? Ihn ändern oder mich an ihn gewöhnen? Jede Entscheidung braucht Kraft. Und da ich nicht der Typ

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