Liebeserwachen in Virgin River
toten Baum, das Rauf und Runter der Straße und das Rundherum. „Jetzt weiß ich es wieder. Den Baumstamm kenne ich. Danke. Vielen, vielen Dank!“
Schon trat sie das Gaspedal durch, diesmal auf dem Weg zu der ersten Abzweigung, anschließend zu dem alten Baum, und sie lachte immer noch, während sie fuhr. Sie lachte darüber, wie anders hier alles war! Ebenso gut hätte sie in ein anderes Land reisen können. Die Menschen hier waren von iPhones, iPads, täglichen Börsenberichten und Vorstandssitzungen genauso weit entfernt wie sie vom Fliegenfischen und Camping. Und jetzt, nachdem sie diesen Plan gefasst hatte und sich von allen Orten auf der Welt ausgerechnet in Virgin River wiederfand, schoss ihr durch den Kopf, dass sie kaum etwas dabeihatte, was für diese Art von Auszeit geeignet wäre. Sie war davon ausgegangen, in einer Hotelanlage wie etwa Sun Valley zu landen, dementsprechend hatte sie ihr legeres Country-Club-Outfit eingepackt – Sachen, die sie sich mal für geschäftliche Veranstaltungen oder Firmenpicknicks gekauft hatte. Dazu gehörten Leinenhosen, zwei modisch-legere Kleider, Wickelröcke, Twinsets und Ähnliches. Flache Schuhe; sehr viele flache Schuhe. Genau ein Paar Turnschuhe von Nike befand sich in ihrem Gepäck und nur zwei Jogginganzüge, beide von Designer-Labels.
Soweit sie sich erinnern konnte, war Virgin River ziemlich rustikal, nicht zu erwähnen kühler. Und Gott, war das feucht hier! Es war Anfang März und den ganzen Tag lang hatte es immer wieder angefangen zu nieseln. Die Landschaft wirkte ein wenig kahl … abgesehen von dem frischen Grün auf den Bäumen und der üppigen Vegetation überall am Straßenrand.
Matschig war es auch! Ihr hübscher kleiner Lexus Hybrid war vollgespritzt und schmutzig.
Jillian folgte dem Weg am Fluss entlang, und sowie sie das Gelände mit den Ferienhütten erreichte, entdeckte sie Luke auf einem Dach, der damit beschäftigt schien, es ein wenig auszubessern. Als sie auf das Gelände einbog, drehte er sich zu ihr um. Sie stellte den Motor ab, stieg aus und winkte ihm zu.
Lächelnd kletterte er die Leiter herunter. „Hi“, begrüßte er sie, nachdem er wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Er zog ein Tuch aus der Gesäßtasche und wischte sich die Hände ab.
„Kennen Sie mich noch, Luke?“, fragte sie ihn. „Letzten Herbst war ich mit meiner Schwester und meinen Freundinnen hier oben. Wir hatten zwei Tage eine Ihrer Hütten gemietet. Sie hatten uns eingeladen, Sie zu einer Haushaltsauflösung zu begleiten. Das Haus dieser alten Frau.“
Luke grinste. „Natürlich erinnere ich mich an Sie, allerdings fällt mir Ihr Name nicht ein.“
„Oh, Entschuldigung. Ich heiße Jill. Jillian Matlock. Und es tut mir leid, dass ich nicht vorher angerufen habe. Ich dachte einfach, wenn sie noch eine freie Unterkunft hätten …“
„In dieser Jahreszeit stehen die Chancen gut, dass etwas frei sein wird“, erwiderte er grinsend. „Gut für Sie, und für mich ist es eine gute Zeit, Reparaturen vorzunehmen, wenn denn der Regen einmal etwas nachlässt. Ihre Hütte können Sie sich aussuchen. Die Schlüssel hängen innen an der Tür an einem Haken.“
„Danke, das weiß ich noch. Hey, wäre es in Ordnung, wenn ich ein paar Tage bleiben würde?“
„Momentan gibt es keine Jäger, sehr wenige Angler und die Sommerurlauber lassen sich vor Juni nicht blicken. Von Anfang Juni bis Ende Januar habe ich sehr viel zu tun, aber der Frühlingsanfang ist immer ruhig. Womit wollen Sie sich denn mehrere Tage lang die Zeit hier vertreiben?“
„Keine Ahnung.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Mich ausruhen, lange schlafen, die Gegend erkunden … Es ist doch sicher, hier herumzulaufen, oder?“
„Wenn sie sich von den Marihuana-Plantagen fernhalten. Doch die liegen meist sehr versteckt. Die Bären sind noch nicht ganz wieder aufgewacht. Wie sieht’s aus mit Angeln? Angeln Sie?“
„Nicht mehr, seit ich sieben oder acht war.“
„Art wird es Ihnen sicher gern zeigen. Im Schuppen steht noch eine Extra-Angelrute. Art weiß Bescheid. Tatsächlich haben wir wahrscheinlich von allem, was Sie eventuell brauchen könnten, noch eine Ausrüstung, die wir Ihnen zur Verfügung stellen können. Denken Sie aber daran – das Wasser im Fluss steht hoch. In den Bergen schmilzt der Schnee, und es regnet an zwei von drei Tagen. Sagen Sie uns einfach, was sie benötigen.“ Er musterte sie von oben bis unten. Sie hatte Jeans, Pumps, eine Seidenbluse und einen Blazer
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