Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
lerne Leute kennen, was hast du schon zu verlieren, doch ich lehne ab, das passt jetzt nicht zu mir, ich suche keinen Partner, allein bei dem Gedanken an die Anstrengung, die es braucht, um jemanden kennen zu lernen, wird mir schlecht.
Du bestrafst dich doch bloß selbst, sagen sie zu mir, dass du leidest, bringt ihn nicht zu dir zurück, aber seit jener Nacht damals versuche ich nicht mehr, ihn zurückzuholen, weder offen noch versteckt, beide erwähnen wir jene Nacht nicht mehr, als hätte sie nur in unserer Fantasie stattgefunden. Wenn er den Jungen bringt, fassen wir uns so kurz wie zwei Geschäftspartner, die gegen ihren Willen gemeinsam eine Firma leiten und voneinander abhängig sind, dabei aber eifersüchtig auf ihre Privatsphäre achten, ich zeige keinerlei Interesse an seinem neuen Leben, und zu meinem Erstaunen muss ich mich dazu nicht verstellen. Es ist nur die Vergangenheit, die mich beschäftigt, und seine Gewohnheiten in der Gegenwart dienen lediglich dazu, die Vergangenheit zu erhellen, wobei das Unbedeutende und das Wichtige gleichwertig sind, sein Auftreten, seine Kleidung, sein Benehmen, sein Geruch, seine Rolle als Vater, seine Anständigkeit, seine Großzügigkeit, ich betrachte ihn mit einem argwöhnischen Blick, bemerke an mir ein Verlangen, von ihm enttäuscht zu werden, nur damit ein düsteres Licht auf unsere gemeinsamen Jahre fällt, aber darüber hinaus hat sich mein Interesse an ihm gewandelt, es ist trocken und begrenzt, fast wissenschaftlich, als wäre er kein lebendiger, atmender Mensch mehr, sondern ein wertvolles bewegliches Fundstück, mit dessen Hilfe meine Forschungsarbeit vorangetrieben wird.
Gespannt verfolge ich seine Aktivitäten, fürchte, etwas zu verpassen, ob er allein in seiner schönen Wohnung ist, ob er für sich kocht, ob er wie früher alles anbrennen lässt, was er an seinen freien Tagen macht, ob er sich mit Frauen trifft, ob er noch immer kalt duscht, ob er sich anzieht, ohne sich abgetrocknet zu haben, ob er unseren gemeinsam begonnenen Aufsatz über das kanaanäische Bewässerungssystem fertig hat, ob er allein in dem Bett mit dem bestickten Überwurf schläft, ob seine Hand nachts meinen Körper sucht, aber es scheint, als hätten all diese Fragen ihre Bedeutung für mein gegenwärtiges Leben verloren, als dienten sie nur dazu, die Vergangenheit zu beurteilen, denn es ist nur die Vergangenheit, die ich prüfe, nur sie wird mein Urteil bestimmen.
Durch diese Schichten, die von dichtem Staub bedeckt sind, stoße ich manchmal nach oben, ich setze einen zögernden Fuß auf die Schwellen anderer Häuser, die vor mir geöffnet werden, betrete das Leben, das sich schon immer um mich herum abgespielt hat und das ich nur nicht wahrgenommen habe, das Leben von Menschen ohne Familie, ohne gemeinsames Kind, ohne gemeinsames Bankkonto, ohne eine gemeinsame Wohnung, Einsamkeit trifft auf Einsamkeit und verdoppelt sich, und das ist es, was mir mein neues Leben bietet, das ist es, was Dina mir vorschlägt, das ist es, was mir die verregneten Wochenenden bieten, das ist es, was mir schwer fällt zu akzeptieren.
Komm morgen, sagt sie mit energischer Stimme, es soll schneien, ich mache Tscholent, und ich frage erschrocken, bist du sicher, dass es schneien wird? Und sie sagt, das habe ich gehört, wirst du kommen? Und ich beklage mich, warum ausgerechnet morgen, wenn Gili bei Amnon ist, hier schneit es höchstens einmal im Jahr, und jetzt wird es gerade an dem Wochenende sein, an dem er nicht bei mir ist, wir warten schon ein ganzes Jahr auf den Schnee. Wo ist das Problem, fragt sie verwundert, du kannst doch froh sein, dass er sich über den Schnee freut, und ich erkläre beharrlich, aber ich werde nicht sehen, wie er sich freut, ich werde seine Freude verpassen, und sie lacht, aber er existiert, auch wenn du ihn nicht siehst, warum hältst du seine Existenz für unwirklich, wenn du nicht bei ihm bist, und ich sage, es ist meine Existenz, die unwirklich ist, es ist die Existenz des Schnees, die unwirklich ist.
Lass ihn doch auch ohne dich Spaß haben, sagt sie, auch wenn du nicht dabei bist, gilt sein Spaß, sei doch nicht so herrschsüchtig, willst du sogar das Wetter beherrschen? Kommst du morgen? Und ich frage, hat man gesagt, wie lange er liegen bleibt? Er muss noch einen Tag liegen bleiben, überlege ich laut, aber eigentlich ist Gili schon am zweiten Tag nicht mehr so begeistert, und der Schnee ist dann schmutzig, und sie drängt mich, ich warte auf eine Antwort, Ella,
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