Liebeslied für einen Prinzen
Hoffentlich begegnete sie diesem Mann nie wieder.
„Hallo, alles klar mit dir?“
Gino war zurück! Erleichtert seufzte Elena und lächelte ihn an.
„Alles bestens“, schwindelte sie, rieb sich die Arme und schüttelte sich leicht. „Aber ich glaube, einer meiner Vorfahren ist soeben über mein Grab gegangen.“
„Elena Valerio, du steckst in Schwierigkeiten.“
Sie seufzte leise und ließ sich auf einen Stuhl vor dem beliebten Café sinken, in das sie jeden Morgen ging. Jetzt führte sie schon wieder Selbstgespräche, noch dazu in aller Öffentlichkeit. Diese dumme Angewohnheit wollte Elena so schnell wie möglich ablegen, sonst hielten die Leute sie noch für verrückt. Sogar Fabio hob den Kopf und stupste sie fragend an.
„Du steckst in gewaltigen Schwierigkeiten, wenn schon dein Hund an dir zweifelt“, murmelte sie und streichelte Fabio.
Ihr Problem hatte allerdings nichts mit dem Hund zu tun, sondern mit der inneren Unruhe. Seit Elena dem Jungen und dessen Vater begegnet war, fühlte sie sich, als hätte sie ihr Leben lang geschlafwandelt. Dieser Fremde hatte sie völlig aus dem Gleichgewicht gebracht.
Es kam ihr vor, als hätte sie bisher alles wie durch einen dichten Nebel wahrgenommen. Nun hatte dieser Mann sie plötzlich geweckt, und das Erwachen war schmerzhaft. Sie erkannte, dass sie sich hatte treiben lassen. Wenn sie sich nicht aufraffte und ihr Leben in den Griff bekam, stand ihr Schlimmes bevor.
Bis heute hatte sie San Rinaldi noch nie verlassen. Trotz der Behinderung war ihr Leben angenehm und friedlich verlaufen. Aufgewachsen war sie bei ihrer Großmutter in der verschlafenen Kleinstadt Monte Speziare. Die Einwohner der Stadt hielten an der herkömmlichen Lebensweise fest und verabscheuten die neuen Touristenhotels genauso wie die anderen Einrichtungen für Urlauber, die im Süden der Insel entstanden waren.
Nach dem Tod der Großmutter, der noch nicht lange zurücklag, gehörte Elena das kleine Haus, in dem sie gewohnt hatten. Den Lebensunterhalt verdiente sie sich mit Klavierstunden. Und sie hoffte, genug Geld zu sparen, um in New York an einem speziellen Ausbildungskurs für Musiktherapie teilnehmen zu können.
Viel mehr als hoffen konnte Elena im Augenblick nicht. An diesem Morgen hatte sie erfahren, dass einer ihrer besten Schüler nach Italien ging. Dadurch würde sie von jetzt an gerade genug verdienen, um die täglichen Ausgaben zu bestreiten. An Sparen war gar nicht zu denken. Es war höchste Zeit, ernsthaft Bilanz zu ziehen und sich etwas Neues auszudenken.
Außerdem durfte sie nicht mehr an Männer denken. Gut, nicht Männer. Einen bestimmten Mann musste sie vergessen. Den Mann, der ihre Gefühle in Aufruhr und ihre Gedanken in heilloses Durcheinander versetzt hatte. Es war schon seltsam, dass eine kurze Begegnung mit ihm solche Auswirkungen auf sie hatte. Dabei mochte Elena ihn gar nicht. Trotzdem konnte sie ihn nicht vergessen.
Plötzlich verspürte sie ein feines Prickeln im Nacken. „Oh nein“, flüsterte sie, weil sie ihn gar nicht zu sehen brauchte. Sie fühlte seine Gegenwart und wie er auf sie zukam. Elena konnte ihm nicht aus dem Weg gehen.
Wenigstens hielten sie sich in der Öffentlichkeit auf. Elena hoffte inständig, dass es hier besser laufen würde. Immerhin konnte er sie hier nicht einschüchtern.
Wenn sie Glück hatte, ging er an ihr vorbei, ohne sie zu bemerken. Vorsichtshalber versuchte sie, sich auf dem Stuhl möglichst klein zu machen. Außerdem drehte sie das Gesicht zur Außenmauer des Cafés und hielt den Atem an.
Und dann hörte sie eine vertraute Stimme.
„Sieh doch nur, da ist Fabio!“, rief der Junge freudig. „Los, komm!“
„Jeremy!“ Diese Stimme kannte sie erst recht.
Elena ließ die Schultern hängen. Offenbar hatte sich alles gegen sie verschworen. Und sie fand keinen Ausweg.
Adam bemerkte die Fremde im selben Moment wie Jeremy und versuchte vergeblich, seinen Sohn abzulenken und rechtzeitig auf die andere Straßenseite zu führen. Aber Jeremy lief bereits zu dem kleinen Straßencafé, in dem die Frau saß, und Adam blieb nichts anderes übrig, als seinem Sohn zögernd zu folgen. Ein zweites Zusammentreffen mit der unangenehmen Fremden mit der schicken Sonnenbrille war das Letzte, was er jetzt brauchte.
Im Moment hatte er genug Probleme. Schon nach knapp vierundzwanzig Stunden auf San Rinaldi wünschte er sich weit weg. Jeremy trieb ihn schier zum Wahnsinn. Darüber hinaus war das erste Zusammentreffen mit den Anwälten
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