Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Sie machten es mit Witz, Brüderchen … sie nagelten ihn an die Kirchentür und rasierten ihm den schönen, langen weißen Bart mit Beilhieben ab. So etwas war damals ein herrliches Vergnügen. Heute sind wir zurückhaltender, Brüderchen. Man erinnert sich nicht gern an die Geburtswehen, wenn der Knabe gut gedeiht. Nur Jekaterina – wer kann's ihr übelnehmen? – kann nicht vergessen. Lassen wir sie in dem Glauben, daß sie es heimlich macht …«
    Sie setzten sich auf die Betten und rauchten.
    Semjonow dachte an Marfa Babkinskaja. So schnell kann alles zu Ende sein, dachte er weiter. Ein Schrei nur … Wen hätte es jemals interessiert, daß es einen Franz Heller weniger gibt?
    »Wir müssen ab morgen auf Zeichen warten«, sagte Alajew. »Gilt noch der alte Codeschlüssel?«
    »Nein. Ich habe einen neuen mitgebracht.«
    »Ach!« Alajew zog an seiner Papyrossa.
    Dann schwiegen sie. Es war drückend … aber etwas war in ihren Herzen, seit zwei Stunden, das drückte mehr.
    Gibt es etwas Lastenderes als die Ungewißheit?
    Am Montagmorgen erschien Oberst Matweij Nikiforowitsch Karpuschin nicht in seinem alten braunen Anzug und dem roten Schlips im Amt, sondern in der Armeeuniform mit Ordensspangen und Sternen. Er sah gleich anders aus. Das Großväterliche, das alle so täuschte, war völlig gewichen, man sah nun, daß er ein harter, starker Mann war, ein Fels in der Brandung, ein Kriegsheld, eine Stütze der Nation. So eine Uniform hat es in sich, immer und überall, nicht nur in Rußland. In einer Uniform wächst ein Mann ins Gigantische. Um sein Haupt singen Engel Heldenlieder. Was unter seinen Blicken daherkriecht, ist armes Volk, zivilistisches Gewürm, ekelerregend schon im Anblick, denn für den Uniformierten ist der Nichtuniformierte nackt wie eine Mäusefrühgeburt.
    Der Tag begann mit einer Kanonade. Karpuschin betrat das Zimmer des Hauptdirektorats für Nachrichtenwesen im Generalstab der Sowjetarmee, kurz GRU genannt, und fand schon Marfa Babkinskaja mit geröteten Augen vor. Sie hatte geweint, und wenn man den Generalmajor Chimkassy ansah, der hinter seinem Schreibtisch wie ein finsterer Bär hockte, wußte man, warum das schöne Täubchen in Tränen ausgebrochen war.
    »Sie hat ihn gesehen, Matweij Nikiforowitsch!« rief General Chimkassy, als Karpuschin noch die Türklinke in der Hand hatte. Seine Stimme dröhnte, als habe er Stimmbänder aus Paukenfellen. »Sie hat ihn gesprochen! Und was tut sie? Sie füttert Goldfische!«
    Marfa schluchzte auf. Sie sah Karpuschin flehend und um Hilfe bittend an.
    »Ich war mir nicht sicher, Genossen! Er sprach anders, er ging anders, er … er … er war nur auf den ersten Blick Franz Heller, nicht mehr auf den zweiten!«
    »Und der dritte? Wohin fiel der dritte Blick, ha? Auf den Hosenlatz, was, und die Nation wird vergessen!« General Chimkassy hatte keine Scheu vor Frauen. Er stammte aus der Volksrepublik Aserbeidschan, und es ist bekannt, daß dort die Frauen erst nach den Kamelen und Eseln kommen. »Was sagen Sie dazu, Genosse Oberst?« bellte er und knackte mit den Fingergelenken.
    »Genossin Babkinskaja hat mir den Vorfall schon am Sonntagnachmittag gemeldet.« Karpuschin setzte sich seufzend. »Man kann bei einem Mädchen keine so logischen Denkvorgänge voraussetzen, wie wir sie haben, Genosse General!«
    »Sie war eine Komsomolzin!« schrie Chimkassy. »Und sie benimmt sich wie ein Huhn, dem man das Loch zugipste! Es ist zum Weglaufen, Oberst!« Chimkassy beugte sich über den Schreibtisch weit vor. »Was haben Sie getan, Karpuschin?«
    »Ich habe meine Schlüsse gezogen, Genosse General.«
    »Das ist aber viel wert!« Chimkassy troff vor Gemeinheit. Er war in der Stimmung, New York zu erobern. Hinter seiner Erregung stand allerdings eine kurze Nachricht aus dem Kriegsministerium. Sie hieß: »Um 12 Uhr erwarte Aufklärung des Falles. Malinowskij.«
    Wer Marschall Malinowskij kannte, wußte, daß er nicht bis fünf Minuten nach 12 Uhr wartete.
    Matweij Nikiforowitsch Karpuschin überhörte die Bemerkung Chimkassys. Er zählte auf, was er wußte: »Erstens ist er also noch in Moskau. Zweitens wissen wir jetzt, daß er ein Agent ist. Drittens ist er nicht allein. Er hat einen Helfer, den er Wassili Maximowitsch Frolow nannte.«
    »Ein falscher Name!«
    »Ja oder nein! Er wurde durch den Anblick Marfas überrumpelt. Da hat man nicht gleich einen anderen Namen zur Hand. Aber was soll's? Solange er in Moskau ist, bekommen wir ihn doch nicht.«
    »Das ist sehr

Weitere Kostenlose Bücher