Liebesschmarrn und Erdbeerblues: Roman (German Edition)
Gut, dass unser Abteilungsleiter momentan in Urlaub war. Der hätte bestimmt nachgefragt, was mit mir los war.
Ungeduldig trommelte Sabine mit ihren langen Fingernägeln auf meinem Schreibtisch. Dieser Anblick tröstete mich etwas. Michi hasste künstliche Nägel. Er legte viel Wert auf eine natürliche Maniküre. Aber das musste sie selbst rausfinden.
»Was ist jetzt mit dem Schlüssel?« Ihr frecher Ton gefiel mir gar nicht.
»Wenn du Michis Wohnungsschlüssel meinst, den hab ich zu Hause.« Das war zwar eine glatte Lüge, aber ich würde einen Teufel tun und ihn dieser Frau jetzt geben.
»Schick ihn per Einschreiben an die Kanzlei.« Mit diesen Worten verließ sie ohne Gruß das Büro. Ich konnte mich gerade noch zurückhalten, die Hacken zusammenzuschlagen und zu rufen: »Yesss, Mäm!«
»Die hätte wirklich ins Arabian Nights gepasst. Am besten als Domina«, kam Claudias bissiger Kommentar von hinten. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass sie gekommen war. Ihr Verständnis für die Lage tat mir gut. Sie sah mich mitleidig an, und bevor ich doch noch anfing zu weinen, rettete sie mich mit den Worten: »Komm, wir machen Mittagspause!«
Die Sonne schien von einem azurblauen Frühlingshimmel, über den gemächlich eine Herde kleiner weißer Schäfchenwolken zog. Claudia und ich saßen auf einer Bank am Ufer des Inns. Um uns herum spielten Kinder, gingen verliebte Pärchen Hand in Hand die Promenade entlang. Studenten saßen im Gras, lernten oder alberten herum, und Rentner fütterten Enten und Schwäne, die gemächlich im Wasser trieben. Eigentlich alles andere als ein Tag für Liebeskummer.
Claudia war für eine Weile sprachlos, nachdem ich ihr alles erzählt hatte. Und das wollte was heißen. Jetzt schaute sie mich ratlos an.
»Was machen wir denn nur mit dir, Lene?«
Wenn ich das nur wüsste. Am besten die Rewind-Taste drücken und vierzehn Stunden zurückspulen. Dann hätte Fräulein Bürowunder Sabine nicht die Nacht mit meinem Freund verbracht. Dann würde ich einen neuen Anlauf nehmen und Michi sagen, dass ich ihn liebe. Öhm … Würde ich das? Verwirrt ob meiner rätselhaften Gefühle blickte ich hoch zum weiß-blauen Himmel. Da schoss mir ein verrückter Gedanke durch den Kopf. Ich sprang hoch.
»Es liegt gar nicht an mir, dass ich es nicht sagen konnte!«, rief ich aufgeregt.
»Was bitte meinst du damit?«, fragte Claudia ein wenig erschrocken über meinen plötzlichen Ausbruch.
Ich versuchte, mich zu beruhigen, um die richtigen Worte zu finden. Das war gar nicht so einfach, denn ich war schrecklich aufgeregt über das, was ich eben herausgefunden hatte. Ich atmete tief durch. Jetzt würde sie gleich Augen machen!
»Ich weiß jetzt, warum ich ihm nicht sagen konnte, dass ich ihn liebe. Das liegt daran, dass es in Bayern dafür keine passenden Worte gibt.«
Claudia schaute mich ungläubig an. »Das versteh ich nicht.«
»Es ist doch ganz einfach, Claudia. Ein verliebter Mensch, der Hochdeutsch spricht, kann ›Ich liebe dich‹ sagen, weil es diesen Ausdruck in seiner Sprache gibt. Ein Engländer sagt: ›I love you‹, und ihr Italiener haucht ein romantisches ›Ti amo‹. Aber für uns Bayern gibt es da nichts. Deswegen konnte ich es nicht sagen.«
Dass ich da nicht früher draufgekommen war? Dabei war es doch so offensichtlich. Ein junges Paar, das neben uns auf einer karierten Decke in der Wiese saß, hörte inzwischen interessiert meinen Ausführungen zum Thema bayerische Liebe zu.
»Lene, geht’s dir noch gut?« Claudia starrte mich an, als ob ich plötzlich zu einer Blondine mutiert wäre.
Doch ich bekräftigte noch mal meine Theorie und brachte sie auf den Punkt.
»Auf Bairisch gibt es Liebe nicht, Claudia.«
»Unsinn. Natürlich gibt es Liebe auch in Bayern.«
»Dann sag mir doch mal den Satz ›Ich liebe dich‹ auf Bairisch«, forderte ich sie auf. Doch es war nicht Claudia, die darauf antwortete.
»I hab di liab.« Das kam von der jungen Frau neben uns.
»Aber das ist nicht das Gleiche wie: ›Ich liebe dich‹«, stellte ihr Freund fest, dessen Wurzeln unüberhörbar am nördlichen Ende der Republik zu finden waren.
»Eben!«, sagte ich triumphierend. »I hab di liab«, sagte man auch zu seiner Omi oder zu seinen Kindern. Es hatte nichts mit der magischen Liebe zwischen Mann und Frau zu tun.
»Wie wär’s mit: I lieb di?« Claudia bemühte sich, bairisch zu sprechen, was sich sehr lustig anhörte.
Aber – da waren die junge Frau und ich uns sofort einig – »I lieb
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