Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesschmarrn und Erdbeerblues: Roman (German Edition)

Liebesschmarrn und Erdbeerblues: Roman (German Edition)

Titel: Liebesschmarrn und Erdbeerblues: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Schwarzhuber
Vom Netzwerk:
Gymnasium konzentrieren und nicht einem einfachen Bauernjungen hinterherrennen.«
    »Aber du warst doch auf dem Gymnasium?«, warf ich verwundert ein.
    »Trotzdem. Deine Großeltern hatten sich die Zukunft deiner Mutter nicht auf einem Bauernhof vorgestellt. Wir konnten uns nur heimlich treffen. Als wir einmal erwischt wurden, wie wir uns hinter dem Stall küssten, bekam Ruth Zimmerarrest und ich eine saftige Ohrfeige von meinem Vater …«
    Ich war fassungslos. Meine lieben Großeltern sollten so streng gewesen sein? Ich konnte mir das gar nicht vorstellen. Doch Vater sagte in diesem Augenblick bestimmt nichts anderes als die Wahrheit.
    »Schließlich mussten wir uns immer neue Tricks einfallen lassen, damit wir uns wenigstens ab und zu alleine sehen konnten. Und es klappte auch eine Weile gut. Bis deine Oma einen Brief an Ruth abgefangen hat. Da gab es wieder großen Ärger. Und wir mussten uns was Neues einfallen lassen. Da kamen wir auf die Idee, uns eine Geheimsprache zuzulegen.«
    »Eine Geheimsprache?«, fragte ich erstaunt. Vater nickte.
    »Wir benutzten Zeichen. Ein Kreis bedeutete: Ich denk an dich!, und ein Punkt stand für: Ich liebe dich! Von nun an konnten wir unsere kleinen Botschaften überall hinterlassen, ohne dass sie jemandem auffielen. Auch wenn wir uns kaum sehen konnten, waren wir uns dadurch immer nah. Deine Mutter schlich sich einmal vor dem Unterricht in mein Klassenzimmer und beschrieb die ganze Tafel mit Punkten und Kreisen. Wir hinterließen in der Kantine, im Umkleideraum oder in der Sporthalle unauffällige Zettel mit Ringen und Punkten oder Strichmännchen mit kreisrundem Kopf und Knopfaugen. Ruth verzierte jeden Aushang in der Schule mit einem Punkt oder Kringel, die natürlich nur mir auffielen. Es gab in Baumrinden geschnitzte Ringe, und im Winter machte ich sogar einmal mit Fußabdrücken im Schnee einen riesigen Kreis im Garten vor Ruths Haus.«
    Beim Gedanken daran hatte er ein wehmütiges Lächeln im Gesicht.
    Ich war ganz verzaubert von der Geschichte meiner Eltern und hörte Vater gebannt zu.
    »Doch das wirklich Wunderbare daran war, dass wir diese Zeichen plötzlich überall sahen: die Ringe beim Turnunterricht, das Lenkrad am Traktor, Bilder und Zeichnungen voller Kreise und Punkte und natürlich in der Schule i-Tüpfelchen oder noch besser die Wörter mit ö. Die Nickelbrille von Tante Resi, das getupfte Schnäuztuch vom Pfarrer … Sogar die kleinen Punkte auf den Erdbeeren waren unsere Komplizen. Und je mehr wir von diesen Zeichen sahen, desto öfter dachten wir an uns und umso stärker wurde unsere Liebe. Das erkannten schließlich auch unsere Eltern und ließen uns – in Gottes Namen, wie sie sagten – endlich ein Paar sein. Doch auch danach behielten wir unsere Geheimsprache bei, bis …« Er hörte auf zu sprechen.
    Dicke Tränen der Rührung kullerten über meine Wangen. Auch Vater war sehr aufgewühlt. Er legte einen Arm um mich.
    »Als deine Mutter dann … Als sie nicht mehr da war, da war es, als ob die Liebe mit ihr gestorben wäre.« Er schaute mich an, und seine Augen waren rot von den ungeweinten Tränen. »Lene, ich bin schuld, dass du vergeblich nach Worten suchst, um einem Mann zu sagen, dass du ihn liebst.«
    Ich schniefte.
    »Nein. Du doch nicht, Papa.« Ich wollte nicht, dass er sich dafür die Schuld gab.
    »Doch. Denn jetzt erst ist mir bewusst geworden, dass ich dir nie gesagt habe, wie sehr ich dich lieb habe.« Diese Erkenntnis schien ihn in seinen Grundfesten zu erschüttern.
    »Aber das stimmt doch gar nicht«, sagte ich und schluchzte. Doch es war so. Vater hatte es nie zu mir gesagt.
    »Es tut mir leid, Lene. Aber auch wenn ich es dir nie gesagt habe, so warst du immer mein ganzes Glück!« Er streichelte traurig mein Gesicht, dann stand er schwerfällig auf und verließ mit hängenden Schultern das Zimmer.
    Ich blieb lange sitzen und starrte wie betäubt auf einen Punkt gegenüber im Bücherregal. Auf einen Punkt … Moment. Das war nicht nur ein Punkt, es waren viele Punkte. Ich stand auf und zog ein Fotoalbum heraus, das Papa mir zu meinem achtzehnten Geburtstag geschenkt hatte. Es war hellblau mit vielen kleinen orangefarbenen Tupfen. Ich setzte mich aufs Sofa und begann das Album mit völlig anderen Augen durchzublättern.
    Eine halbe Stunde später rannte ich glücklich lächelnd mit dem Album unter dem Arm in den Stall. Doch Vater war nicht dort und auch nicht im Haus. Ich fand ihn schließlich hinter dem Haus auf der Gartenbank, wo

Weitere Kostenlose Bücher