Liebeszauber an der Algarve
lächelte entschuldigend. „Ich bin gestern erst spät am Abend aus Sydney eingeflogen und leide wohl ein bisschen an Jetlag.“
„Natürlich.“ Bei dieser freundlichen Erklärung entspannte sich der Brite merklich. „Nach Ihren Reisen sind Sie verständlicherweise müde. Wir werden uns alle bemühen, die Sitzung kurz zu halten.“
Mit einem Nicken bedankte sich Marco.
„Wie ist es, wieder zu Hause zu sein?“, fragte Joseph. „Es muss doch mindestens zwei Jahre her sein, dass Sie für längere Zeit hier waren?“
„Ja, ist es.“ Sofort war Marco wieder auf der Hut, und er überging die erste Frage ganz bewusst.
Trotz seines beträchtlichen Vermögens war der Begriff „Zuhause“ für ihn nie Wirklichkeit geworden. Wenn man in einem Waisenhaus aufgewachsen war, blieb „Zuhause“ ein Wunschtraum, dessen Erfüllung immer außer Reichweite war. Etwas, was einfach nicht auf der Tagesordnung stand, gleichgültig, wie sehr er sich danach sehnen mochte.
Obwohl er mehrere palastartige Villen auf der ganzen Welt besaß, hatte er kein Heim im eigentlichen Sinne des Wortes. In letzter Zeit hatte er besonders hart gearbeitet und geplant, für mindestens einige Wochen an der Algarve eine längst überfällige Ruhepause einzulegen.
Nur verlor die Idee ihren Reiz, sobald er sich an seine ärmliche Kindheit in Portugal erinnerte. Die Aussicht, seinen Urlaub allein zu verbringen, gefiel ihm auch nicht. Er hatte viele Bekannte, aber keine echten Freunde, bei denen er wirklich er selbst sein konnte.
Freundschaften zu schließen war ihm schon als Kind nicht leicht gefallen. Einer der Betreuer im Waisenhaus hatte einmal zu ihm gesagt, er wäre ein „komplizierter“ kleiner Junge. Mit seiner kindlichen Logik hatte er es so verstanden, dass es schwierig war, ihn zu lieben.
Wieder drehte Marco den Kugelschreiber zwischen den Fingern. Er hasste die Beklemmung, die ihn plötzlich überkam. Es war ein Zeichen dafür, dass er sich eingeengt fühlte, wie in einer Falle gefangen. Weil er keinen Trost darin finden konnte, an die Orte seiner Vergangenheit zurückzukehren.
„Machen wir weiter, ja? Ich bin sicher, dass jeder von uns heute noch viel zu tun hat, und die Zeit läuft“, sagte Marco kurz angebunden.
Verlegen schob Joseph Simonson die Papiere vor sich auf dem Tisch zusammen und räusperte sich, bevor er mit seinem Vortrag fortfuhr.
Es war zwei Minuten vor zwölf, und dreimal hatte Grace nun schon die zitternde Hand vom Telefon zurückgezogen. Gerade jetzt, da sie vielleicht dicht davor war, die finanzielle Unterstützung für den Bau des neuen Kinderheims zu bekommen, verlor sie die Nerven.
Gestern war sie aufgeputscht gewesen, mutig, als könnte nichts und niemand sie daran hindern, ihr Ziel zu erreichen. Heute, nach einer mehr oder weniger schlaflosen Nacht, in der die Erinnerungen an Marco Aguilars faszinierende dunkle Augen sie häufig beunruhigt hatten, traute sie sich nicht viel zu.
„Das kann doch nicht wahr sein!“
Ärgerlich schnappte sie sich den Hörer des Wandtelefons in der Küche und tippte die Nummer ein, die sie auswendig gelernt hatte, für den Fall, dass sie die Karte verlegte und nicht wiederfand.
Gestern Nachmittag, als sie zurück ins Ferienhaus gekommen war, hatte sie verblüfft festgestellt, dass Marco Aguilar ihr die Nummer seines privaten Handys gegeben hatte. Sie stimmte mit keiner der Nummern auf der Vorderseite der Visitenkarte überein.
Jetzt rief sich Grace die hoffnungsvollen Gesichter der Kinder ins Gedächtnis, die sie in dem baufälligen afrikanischen Waisenhaus zurückgelassen hatte. Sofort erwachte wieder der leidenschaftliche Wunsch in ihr, ihnen zu helfen.
Marco Aguilar ist auch nur ein Mensch, sagte sie sich. Dass er maßgeschneiderte Anzüge trug, die wahrscheinlich ein Vermögen kosteten, dass er es regelmäßig auf die Liste der Milliardäre schaffte, spielte keine Rolle. In dieser Sache waren sie einfach zwei Menschen, die besprachen, wie man jenen helfen konnte, die nicht so viel Glück hatten wie sie beide.
Der Klingelton verstummte. Am anderen Ende hatte jemand abgenommen.
„Olá?“
„Olá.“
„Mr Aguilar?“
„Ah, sind Sie das, Grace?“
Sie hatte nicht erwartet, dass er sie mit ihrem Vornamen anredete. Und der Klang seiner Stimme und der leichte Akzent ließen ihr Herz schneller schlagen. Nervös strich Grace über ihre weiße Leinenhose.
„Ja, ich bin’s, Mr Aguilar.“
„‚Marco‘ genügt. Wie geht es Ihnen? Ich hoffe, Sie genießen
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