Liebling, Ich Kann Auch Anders
ich sie an, ein paar Proben einzuscannen und das Exposé sofort übers Internet loszuschicken. Ich holte mein Laptop, und während sie auf ihrem Mac scannte, richtete ich ihr ein Postfach auf den Namen ›Detlef Tiger‹ ein. Sie verfasste noch einen kurzen Begleitschrieb und gab ihre Handynummer an.
Gegen halb drei trat Wolli dann seine erste virtuelle Reise an.
Tags darauf überfielen Eva heftige Skrupel. Sie bereute zutiefst, dass die Mail schon raus war.
»Ach was«, beschwichtigte ich sie, »es ist überhaupt nicht einzusehen, warum du aus deinen permanenten Hobby-Therapie-Diensten, die dich ständig vom Arbeiten abhalten, nicht auch einen materiellen Nutzen ziehen solltest.«
»Na ja«, lenkte sie ein, »ist eh unwahrscheinlich, dass die das Zeug wollen.«
»Jaja. Und wenn es so weit kommt, kannst du dich immer noch aufregen«, beschwichtigte ich sie – sah das Projekt jedoch sehr optimistisch.
Drei Tage später rief Holger Stegmeier, der Chefredakteur von Male’s Body , Eva an. Nach der ersten Schrecksekunde gab sie sich alle Mühe, ihre Stimme etwas tiefer klingen zu lassen. Stegmeier berichtete Herrn Tiger, er sei hell begeistert von Wollis chaotischem Liebesleben und bekannte, er suche schon lange nach so etwas in der Art. Er habe auch einen kongenialen Illustrator an der Hand, der sich liebend gern der Geschichten annehmen würde, falls Herr Tiger sich entschließen könnte, von den Strichmännchen abzurücken. Darüber musste Eva herzlich lachen. Erst höher, dann eine Oktave tiefer.
»Natürlich bestehe ich nicht auf den Strichmännchen, Herr Stegmeier! Die Wahrheit ist: Ich kann’s einfach nicht besser.«
Die Zeichnungen seien im Grunde schon ganz toll, schmeichelte der höfliche Mensch, aber mit den Cartoons des besagten Mannes bekäme das Projekt eben eine ganz andere Dimension. Den Vertrag wollte er umgehend zuschicken. Arbeitsproben des Illustrators würden rasch folgen.
»Das schreit nach Prosecco!«, rief ich, als mir Eva von dem Anruf erzählte. »Und dass du es gleich weißt, ich betrachte mich als Wollis Taufpatin. Ohne mich hättest du das Projekt nie abgeschickt!«
»Stimmt. Und das wäre mir im Grunde auch lieber.«
»Wie bitte? Du spinnst wohl ein bisschen!«
»Ach, Eliza, ich hab so ein verdammt schlechtes Gewissen gegenüber Leonardo!«
»Pfff! Das ist lächerlich! Er hat ja auch kein schlechtes Gewissen, wenn er seinen ganzen Beziehungsscheiß bei dir ablädt, dich von der Arbeit abhält und am Schlafen hindert.«
Sie schaute trotzdem noch ziemlich zerknirscht drein, doch schließlich lächelte sie. »Vielleicht hast du ja recht. Und überhaupt haben solche Magazine normalerweise einen Vorlauf von drei Monaten. Bis dahin werde ich Gelegenheit finden, dem Süßen die Geschichte zu beichten.«
Sie nahm den Prosecco aus dem Kühlschrank und ich ihre schönsten Sektkelche aus dem alten, von uns beiden sorgfältig und langwierig abgelaugten, geschmirgelten und gewachsten Küchenbuffet. Wir zogen ins Wohnzimmer um, ließen uns auf dem roten Sofa nieder und stießen auf Wollis chaotisches Liebesleben an.
»Ich muss mein Namensschild noch ändern«, fiel Eva ein. »Gallus / Tiger. Oder lieber Tiger / Gallus? Klingt beides gut. Aber Gallus / Tiger ist vielleicht lus/tiger.« Wir kicherten wie beschwipste Teenies.
»Der Vertrag ist bereits unterwegs«, trumpfte sie auf. Dann grinste sie schelmisch. »Und irgendwann muss ich dem Herrn Chefredakteur einen Besuch abstatten und ihn über meine wahre Identität aufklären.«
Tags darauf kam der Vertrag tatsächlich. Eva, die wegen ihrer ständig aufs Neue hochwirbelnden Skrupel nicht so ganz hinter der Sache stand, gebärdete sich zunächst etwas kapriziös. Das heißt, sie beschloss, das Papier erst mal ruhen zu lassen und dann ein paar Streichungen und Ergänzungen vorzunehmen. Dabei überlegte sie, ob sie nicht himmelhoch pokern sollte. Ein Rückzieher des Magazins wäre nämlich für ihre innere Harmonie förderlicher gewesen als eine Zusage.
Schon fünf Tage später kamen von Male’s Body die ersten spontanen Arbeitsproben des Illustrators. David De Marco hatte sich mächtig ins Zeug gelegt und umgehend eine Wolli-Episode illustriert und damit gezeigt, dass er ein Könner war. Evas Texte erschienen dank der Cartoons noch viel witziger.
Übers Internet fand Eva De Marcos Telefonnummer heraus und rief ihn sofort an, um ihm zu sagen, wie begeistert sie sei. Er machte am Telefon einen sehr sympathischen Eindruck, war völlig
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