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Liebling, Ich Kann Auch Anders

Liebling, Ich Kann Auch Anders

Titel: Liebling, Ich Kann Auch Anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Kast-Riedlinger
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kündigte sie an und kicherte.
    Für einen Augenblick wurde ich mir des Glücks bewusst, das mir gerade widerfuhr. Ich hatte in meinem Leben gelegentlich Lust, über die Fähigkeit zu verfügen, die Zeit anzuhalten. Meist beim Liebesakt mit einem Mann, in den ich gerade verliebt war – noch nicht oft und schon lange nicht mehr passiert –, aber dies hier war auch so ein Moment. Meine Freundin war wieder da, wo sie hingehörte und wir würden gleich zusammen eine köstliche Mahlzeit verspeisen. Der Chablis, den sie mitgebracht hatte, war nach ihren Worten das ideale Getränk zum Fischgericht. Und dann eröffnete sie mir auch noch die Aussicht auf eine irre Geschichte. Wogen der Freude und Zuneigung durchfluteten mich. Zeit anhalten! Bitte!

    »Stell dir vor …« Eva grinste. Am Freitagabend kamen wir so spät und beschwipst vom Italiener heim, dass Leo sich außerstande sah, noch mein Gästebett herzurichten.«
    Der Zauber, den ich gerade noch verspürt hatte, schoss davon wie eine Rakete.
    »Und so haben wir beide in seinem Bett geschlafen.«
    »Hoppla!«, bemerkte ich trocken, um überhaupt was zu sagen. Und Eva kicherte schon wieder wie eine Dreizehnjährige.

    »Aber im Laufe des Samstags hat er dann ein Gästebett für dich hergerichtet?«, erkundigte ich mich und hoffte, meine Stimme klänge eher heiter als inquisitorisch. Ich hasse mich ja selbst für meine Eifersucht und dafür, dass letztere mich so moralisch macht. – Auf meine Traumata komme ich noch zu sprechen.
    »Nein. Er sagte, meine körperliche Nähe sei so tröstlich und schön gewesen, dass er sich sehnlich wünschte, wir könnten uns einfach so umarmen und ein bisschen kuscheln und umarmt schlafen. Das ist doch süß, nicht?«
    »Mhmmm …«
    »Weißt du, ich erinnerte mich an Augenblicke in meinem Leben, wo ich mich nach nichts mehr gesehnt habe als nach Armen, die mich umschlingen und meine Sehnsucht nach Geborgenheit stillen sollten.«
    Ich atmete tief durch. Dergleichen kennen wir doch alle. Na ja, oder zumindest all die Anlehnungsbedürftigen unter uns. Ich beneidete Leonardo um seinen Mut – und vor allem um den Lohn seines Mutes. Zu gern hätte ich Eva gefragt, ob sie heute Nacht bei mir schlafen wollte. Einfach so. Wegen der Nähe und Wärme. Aber ich traute mich natürlich nicht. Stattdessen sagte ich: »Ich frage mich schon lang, warum niemand lebensgroße männliche Puppen herstellt, die diesen Zweck erfüllen könnten. In weiblicher Version gibt es ja schon länger lebensechte Silikonpuppen für Herren, denen die widerlichen blödgesichtigen Schlauchboote zu primitiv sind, die im Sexartikel-Handel rumgeistern. Die ästhetischen Schöpfungen meiner Wahl würden sich genauso gut als Sofapartner für gemütliche Fernsehabende eignen wie als Umschlinger für einsame Nächte.«
    »Ja, und als Mann-im-Haus-Attrappe, die ans Fenster gestellt werden könnte, um unwillkommene Verehrer zu vertreiben«, witzelte Eva.
    »Genau! Jedes Möbelhaus müsste solche Kreationen führen.«
    »Eliza, das ist eine absolute Marktlücke. Wir sollten uns ernsthaft um die Kommerzialisierung kümmern.«
    Wir malten uns gleich eine ganze Palette möglicher Modelle aus, und damit trat Leonardo nebst der vielschichtigen Kuschellust, die uns beide bewegte, für einen Moment in den Hintergrund. Aber dann fiel mir ein, dass Eva noch gar nichts über Leonardos großartige Idee erzählt hatte.
    »Er möchte einen Verhaltenskodex für den Partnerverkehr im Internet entwickeln.«
    »Oho, ganz schön ambitioniert – aber gibt’s da nicht schon einiges?«
    »Ja schon, aber das ist alles ziemlich unpersönlich gehalten und das Wenigste davon dringt wirklich unter die Oberfläche. Leonardo möchte seine Entwicklung griffiger aufziehen, damit aufrütteln, Betroffenheit wecken und gleichzeitig ein brauchbares interaktives Programm bieten. Er hat da wirklich ein paar zündende Ideen. Zum Beispiel hat er das Thema seinen Studenten für eine Seminararbeit vorgeschlagen.«
    »Sehr praktisch, wenn sich auf diese Art die Not zur Tugend umfunktionieren lässt. Am Ende wird’s noch ein Thema für seine Dissertation.«
    Leonardo hatte außer Psychologie auch Soziologie studiert und war Assistent eines Soziologie-Professors an der Uni Konstanz. Er strebte eindeutig nach höheren Zielen. Sicher nicht zuletzt, um seinem Erzeuger zu beweisen, dass er ein ernst zu nehmender Wissenschaftler war. Sein Vater hatte ihn, als klar war, dass der Sohn weder in puncto Naturwissenschaften

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