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Lied der Wale

Lied der Wale

Titel: Lied der Wale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Thomas
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zugenommen? Wo? Im Gesicht, an denHüften? Sag nicht, es ist der Po, ich trag dieselbe Größe, seit ich über die Sache mit Al Gore in Florida berichtet hab – es ist nicht der Po, oder?«
    »Dein Po ist prima, dein Hirn ist das Problem.«
    Leah drehte sich abrupt um, die Stimme gehörte Geoffrey, klarer Fall, und den würde sie heute mit Desinteresse strafen. Also wandte sie sich schnell wieder Madeleine zu, die sofort den Braten roch.
    »Habt ihr wieder Zoff?«, wollte sie wissen.
    »Was fragst du mich, ich blick bei ihr nicht mehr durch. Frag sie.«
    Geoffrey streckte seine Hand nach dem zweiten Donut aus, doch Fett hin, Fett her, Leah konnte einfach nicht anders, als ihn Geoffrey vor der Nase wegzuschnappen und blitzschnell in ihrem Mund verschwinden zu lassen.
    »Hat er wirklich ein Schiff gerammt, oder ist das alles nur Gequatsche?«, wollte sie lustvoll kauend wissen.
    »Krieg’s gefälligst raus«, meinte Geoffrey und ließ eine Visitenkarte in ihren Schoß fallen: FishGoods Inc.
    Zwei Minuten später saß Leah vor ihrem »Irgendwann einmal«-Archiv, einem zwei Meter hohen Metallschrank, vollgestopft mit höchst persönlichen Unterlagen.
    Unter vielen anderen und geordnet nach Priorität – ha, als ob sie jemals dazu kommen würde, sie hatte ja nicht mal die Zeit, das Material zu sichten –, waren da vier Ordner mit der Beschriftung »Rabin, Yitzhak« (nie und nimmer war das die Aktion eines Einzeltäters), zwölf Ordner mit »Kennedy, J. F.«, gleich daneben einer mit »Kelly, Grace«. Zugegeben, Leah war eine Romantikerin, aber bis heute stand nicht fest, wer den Wagen in den Abgrund fuhr, sie oder ihre minderjährige Tochter. Und dann die zwei Ordner »DMcG«. Der einzige Name, der nicht ausgeschrieben war. Sie enthielten alles, was in den letzten Jahrenüber den Mann publiziert worden war. Und er verstand es, Schlagzeilen zu hinterlassen. Das meiste handelte von Rowdytum auf hoher See, immer mal wieder legte er sich mit irgendeinem Fischtrawler an, doch zu ernsten Konsequenzen hatte sein Verhalten selten geführt. Es ging ihm wohl mehr um Publicity.
    Vor sechs Wochen war ein Artikel im Wirtschaftsteil des ›Washington Chronicle‹ erschienen. Es ging um Hamamoto Inc., einen aufstrebenden japanischen Konzern mit zahllosen Tochterunternehmen, die in verschiedenen Sparten, unter anderem auch der Fischindustrie, angesiedelt waren. McGregor wurde im vorletzten Absatz erwähnt. Offenbar hatte er einen ihrer Thunfischfänger aufs Korn genommen und gerammt. Die Fish-Treasure, das betreffende Tochterunternehmen, hatte Klage erhoben und den Prozess problemlos aufgrund von McGregors Abwesenheit gewonnen. Weitere Informationen hatte sie nicht, und offenbar sträubte sich auch das Internet, mehr Wissenswertes über die Verhandlung auszuspucken. Also musste sie ihr Insider-Netzwerk aktivieren, das oft effektiver war als die elektronische Recherche.
    »Bin bei den Finanz-Fuzzis«, sagte sie im Vorbeigehen zu Nick, der sich hinter dem Computer verkroch. Leah war sich sicher, dass er sie nicht mal wahrgenommen hatte.
    Sie nahm die Treppe, um William Ferguson einen Besuch abzustatten, der in der drei Stockwerke höher gelegenen Wirtschaftsredaktion residierte. Leah hatte sich immer eine Sympathie für den alten Kauz bewahrt, in dessen Ressort sie lange tätig gewesen war. William thronte wie immer in seinem alten Ledersessel in dem mit Büchern, Ordnern und Papieren vollgestopften Raum. Allein. Sehr schön. Sie warf Jaquie, seiner Sekretärin, ein Lächeln zu. »Hi. Ist er beschäftigt?«
    »Er ist immer beschäftigt.«
    Wenn man Ferguson anrief, weil man ihn um ein Gesprächvon ein paar Minuten bitten wollte, war eine Abfuhr Standard. Es gab hundert verschiedene Gründe, weshalb Fergy, wie er hausintern genannt wurde, leider im Moment und auch in allen Momenten der nächsten Woche keine Sekunde für einen erübrigen konnte. Also hatte Leah ihre Taktik geändert. Sie tauchte einfach spontan auf, und wenn er allein in seinem Büro war, genügte ein Lächeln, und sie gewann den Jackpot: fünf Minuten seiner kostbaren Zeit.
    Leah klopfte und trat ein. »Wie geht’s, wie steht’s?«
    Er sah von einem dicken Blätterwust vor sich auf, alles gleichmäßig über seinen Schreibtisch verstreut. Bei der Bearbeitung seiner Notizen pflegte er pro Tag mindestens einen Bleistift zu zerkauen. Den Computer hingegen benutzte er nur, um am allgemeinen E-Mail-Verkehr teilzunehmen.
    »Keine Zeit.«
    Sie schenkte ihm das

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