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Lieder von Sternen und Schatten

Lieder von Sternen und Schatten

Titel: Lieder von Sternen und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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gehorchen, wie ein Kind den Eltern und ein Kämpfer seinem Offizier; das heißt, schnell und ohne Frage. Denn das bleiche Kind weiß, was das Beste ist.
    Das sind die Visionen, die ER mir geschenkt hat, das sind die Träume, die ich geträumt habe. Brüder, betet mit mir.«
    Und Wyatt drehte sich wieder um und sank auf die Knie, und die anderen knieten mit ihm, und alle Köpfe waren im Gebet gesenkt, bis auf einen. Im Schatten an der Rückseite der Kapelle, wo die Flammenkugeln nur schwach flackerten, starrte C'ara DaHan seinen Proktor unter düster zusammengezogenen Brauen an.
    An diesem Abend, nach einem stummen Mahl im Speisesaal und einer kurzen Stabsbesprechung, suchte der Waffenmeister den Proktor auf, um mit ihm die Mauerkronen entlangzugehen.
    »Proktor, meine Seele ist bedrückt«, sagte er. »Ich brauche Rat von dem, der Bakkalon am nächsten ist.«
    Wyatt nickte, und die beiden legten schwere Nachtmäntel aus schwarzem Pelz und öldunklem Metallnetz an, und gemeinsam gingen sie unter den Sternen die Totstein-Brüstungen entlang.
    In der Nähe des Wachhauses über dem Stadttor blieb DaHan stehen und beugte sich hinaus über die Brüstung. Sein Blick glitt lange über den langsam schmelzenden Schnee, bevor er die Augen auf den Proktor richtete.
    »Wyatt«, sagte er schließlich, »mein Glaube ist schwach.«
    Der Proktor antwortete nichts, sah den anderen nur an. Sein Gesicht war in der Kapuze seines Nachtmantels verborgen. Die Beichte gehörte nicht zu den Riten der Stahlengel. Bakkalon hatte gesagt, der Glaube eines Kämpfers dürfe niemals wanken.
    »In der alten Zeit wurden viele Waffen gegen die Kinder von Bakkalon eingesetzt«, fuhr C'ara DaHan fort. »Manche gibt es heute nur noch in Märchen. Vielleicht hat es sie in Wirklichkeit nie gegeben. Vielleicht sind es leere Dinge, wie die Götter, zu denen weiche Menschen beten. Ich bin nur ein Waffenmeister; ein solches Wissen steht mir nicht zu.
    Aber es gibt eine Geschichte, mein Proktor – eine, die mich beunruhigt. Einmal, so heißt es, haben die Söhne Hrangas in den langen Jahrhunderten des Krieges auf den Samen der Erde üble Vampire des Geistes losgelassen, die Wesen, die von den Menschen Seelenaussauger genannt wurden. Ihre Berührung war unsichtbar, aber das Wesen kroch kilometerweit, weiter, als ein Mensch sehen konnte, weiter, als ein Laser zu feuern vermochte, und es brachte Wahnsinn. Visionen, mein Proktor, Visionen! Falsche Götter und törichte Pläne wurden den Gehirnen der Menschen eingehaucht, und ...«
    »Still!« sagte Wyatt. Seine Stimme klang hart, so kalt wie die Nachtluft, die ringsum knisterte und den Atem in Dampf verwandelte.
    Es blieb lange still. Dann fuhr der Proktor mit ruhigerer Stimme fort: »Den ganzen Winter habe ich gebetet, DaHan, und mit meinen Visionen gerungen. Ich bin der Proktor der Kinder von Bakkalon auf der Welt Corlos, nicht ein neubewaffnetes Kind, dem falsche Götter etwas vorlügen. Ich habe erst gesprochen, als ich meiner Sache gewiß war. Ich habe gesprochen als Ihr Proktor, als Ihr Vater im Glauben und Ihr kommandierender Offizier. Daß Sie mich anzweifeln, Waffenmeister, daß Sie zu zweifeln vermögen das beunruhigt mich zutiefst. Als nächstes werden Sie auf dem Schlachtfeld innehalten, um mit mir über irgendeine Einzelheit meiner Befehle zu diskutieren?«
    »Niemals, Proktor«, sagte DaHan und kniete reumütig auf dem festgetretenen Schnee nieder.
    »Ich hoffe nicht. Aber bevor ich Sie entlasse, weil Sie mein Bruder in Bakkalon sind, will ich Ihnen antworten, obwohl ich es nicht zu tun brauchte und es falsch von Ihnen war, das zu erwarten. Ich will Ihnen dies sagen: Der Proktor Wyatt ist ein guter Offizier ebenso wie ein gläubiger Mann. Das bleiche Kind hat mir Weissagungen übermittelt und hat prophezeit, daß Wunder geschehen werden. Alle diese Dinge werden wir mit unseren eigenen Augen sehen. Aber wenn die Weissagungen ausbleiben und sich keine Zeichen zeigen sollten, nun, dann werden unsere Augen auch das sehen. Und dann werde ich wissen, daß es nicht Bakkalon gewesen ist, der die Visionen geschickt hat, sondern nur ein falscher Gott, vielleicht ein Seelenaussauger der Hranga. Oder glauben Sie, daß ein Hranga Wunder wirken kann?«
    »Nein«, sagte DaHan, noch immer auf den Knien, den mächtigen, kahlen Kopf gesenkt. »Das wäre Ketzerei.«
    »In der Tat«, erklärte Wyatt. Der Proktor blickte kurz über die Mauer. Die Nacht war frisch und kalt, und es schien kein Mond. Er fühlte sich

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