Lieder von Sternen und Schatten
– die jungen Kinder, die Stillen, die als erste geflohen waren – viele hatten Aufnahme bei anderen Clans gefunden. Aber andere waren, wie die Bittere, zu wild geworden, hatten zuviel gesehen; sie paßten nicht mehr dazu. Sie war die erste gewesen, die nach einer Waffe gegriffen hatte, nachdem sie vom alten Sprecher bei den Wasserfall-Leuten fortgeschickt worden war.
»Es ist oft besser, ohne Götter zu sein«, sagte neKrol zu ihr. »Die unter uns hier haben einen Gott, und er hat sie zu dem gemacht, was sie sind. Und so haben auch die Jaenshi Götter, und weil sie vertrauen, sterben sie. Ihr Gottlosen seid ihre einzige Hoffnung.«
Die Bittere antwortete nicht. Sie blickte nur hinunter auf die vom Schnee belagerte stille Stadt, und ihre Augen glühten.
Und neKrol beobachtete sie und machte sich seine Gedanken. Er und seine Sechs waren die Hoffnung der Jaenshi, hatte er gesagt; wenn das so war, gab es dann überhaupt Hoffnung? Die Bittere und alle seine Exilanten hatten etwas von Wahnsinn an sich, eine Wut, die ihn zittern ließ. Selbst wenn Ryther mit den Lasergewehren kam, selbst wenn eine so kleine Gruppe den Vormarsch der Engel aufhalten konnte, selbst wenn das alles eintraf – was dann? Sollten alle Engel morgen sterben, wo würden seine Gottlosen einen Platz finden?
Sie standen stumm nebeneinaner, während der Schnee unter ihren Füßen knirschte und der Nordwind sie schneidend umtoste.
Die Kapelle war dunkel und still. Flammenkugeln brannten in den Ecken mit trübem, unheimlichem Rot, und die Reihen einfacher Holzbänke waren leer. Über dem schweren Altar, einem Block aus grobem schwarzem Gestein, stand Bakkalon als Hologramm, so lebensecht, daß er zu atmen schien; ein Junge, ein Junge nur, nackt und milchweiß, mit den großen Augen und blonden Haaren der unschuldigen Jugend. In Seiner Hand, die um die Hälfte größer war als ER selbst, hielt ER das große, schwarze Schwert.
Wyatt kniete vor der Projektion, den Kopf gesenkt, ganz regungslos. Den ganzen Winter hindurch waren seine Träume düster und bedrückend gewesen, so daß er jeden Tag niederkniete und um Erleuchtung betete. Es gab niemanden, an den er sich wenden konnte, außer Bakkalon; Wyatt war der Proktor, der im Kampf und im Glauben führte. Er mußte seine Visionen allein enträtseln.
So rang er täglich mit seinen Gedanken, bis der Schnee zu schmelzen begann und die Knie seiner Uniformhose vom langen Wetzen auf dem Boden fast durchgescheuert waren. Endlich hatte er sich entschieden, und an diesem Tag hatte er die höheren Ränge aufgerufen, zu ihm in die Kapelle zu kommen.
Sie traten ein, während der Proktor regungslos kniete, und suchten sich Plätze auf den Bänken hinter ihm, jeder für sich, getrennt von seinen Genossen. Wyatt achtete nicht darauf; er betete nur darum, daß seine Worte richtig seien, seine Vision wahr. Als sie sich alle eingefunden hatten, stand er auf und drehte sich zu ihnen herum.
»Es sind viele Welten, auf denen die Kinder von Bakkalon gelebt haben«, sagte er, »aber keine so gesegnet wie diese, unser Corlos. Eine große Zeit steht bevor, meine Waffenbrüder. Das bleiche Kind ist in meinem Schlaf zu mir gekommen, wie einst zu den ersten Proktoren in den Jahren, als die Bruderschaft geschmiedet wurde. Er hat mir Visionen gegeben.«
Sie waren still, alle miteinander, ihre Augen waren demütig und gehorsam; schließlich war er ihr Proktor. Es konnte keine Zweifel geben, wenn jemand von höherem Rang Weisheit sprach oder Befehle erteilte. Das war eine der Regeln Bakkalons, daß die Kommandokette heilig war und nie in Zweifel gezogen werden durfte. So schwiegen sie alle.
»Bakkalon selbst ist auf dieser Welt gewandelt. ER ging unter den Seelenlosen und den Tieren des Feldes und sprach zu ihnen von unserer Herrschaft, und zu mir hat ER dies gesagt: Wenn der Frühling kommt und der Samen der Erde das Schwert-Tal verläßt, um neues Land zu nehmen, werden alle Tiere ihren Platz kennen und sich vor uns zurückziehen. Das prophezeie ich!
Mehr noch, wir werden Wunder erleben. Auch das hat das bleiche Kind mir versprochen, Zeichen, an denen wir Seine Wahrheit erkennen werden, Zeichen, die unseren Glauben mit neuer Offenbarung untermauern. Aber unser Glaube soll auch auf die Probe gestellt werden, denn es wird eine Zeit der Opfer sein, und Bakkalon wird mehr als einmal von uns verlangen, daß wir unser Vertrauen in IHN beweisen. Wir müssen uns Seiner Lehren erinnern und treu sein, und jeder von uns muß IHM
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