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Liegen lernen

Liegen lernen

Titel: Liegen lernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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aber ich lese nur aus der Hand, und ich brauche den Alkohol. Zwei Alt, Mann, das ist ein fairer Kurs.«
    Bevor ich noch was sagen konnte, hatte sie auch schon meine Hand gepackt. Von ihren langen Fingernägeln blätterten rote Farbreste ab.
    »Hm«, sagte sie, »weiche, fleischige Hügel. Das heißt, du bist leidenschaftlich. Und deine Lebenslinie zeigt hier eine Unterbrechung.«
    »Und was heißt das?«
    »He, ich bin nicht die Wettervorhersage. Mein Name ist übrigens Linda.«
    »Peck«, sagte ich. »Gregory Peck.«
    »Engländer?«
    »Amerikaner.«
    »Wieso sprichst du so gut Deutsch?«
    »Meine Mutter ist Deutsche.«
    Sie sah wieder in meine Hand. »Ansonsten sind da noch eine Menge Linien, die ziemlich was über dich aussagen.«
    »Und was?«
    »Ich habe gesagt, ich lese dir aus der Hand, ich habe dir nicht gesagt, ich weiß, was drinsteht. Alf, mach mir noch ’n Alt und ’n Kurzen!« Alf zapfte und goß ein. Linda verschwand wieder auf ihren Platz am Ende des Tresens, und für den Rest der Nacht war ich Luft für sie.
    Bis halb fünf blieb ich da sitzen. Zwischendurch nickte ich immer wieder ein, fiel mein Kopf auf den Tresen. Aber das kümmerte niemanden. In einigen Ecken wurde ebenfalls geschlafen. Einmal wurde ich wach, weil Linda am Flipper spielte, ein riesiges Ding, das sprach und schoß und spuckte und pfiff. Als ich ging, schien mir die Rechnung etwas überhöht zu sein, aber ich sagte nichts. Mir taten die Gelenke weh, und ich hatte Kopfschmerzen. Vor einem Zeitungsstand lagen die Morgenzeitungen. Ich fummelte eine Rheinische Post aus der Verpackung und suchte nach dem Sportteil. Sie stand drin, allerdings mit einem anderen Nachnamen. Also hatte auch sie geheiratet. Im Telefonbuch fand ich den Namen und auch die Adresse. Ich setzte mich in ein Taxi und ließ mich hinfahren.
    Es war ein einfaches Mietshaus. Ich sah auf die Uhr. Es war kurz nach fünf. Ich klingelte trotzdem. Nichts tat sich. Ich klingelte wieder. Nichts. Nach dem vierten Klingeln summte der Türöffner.
    Die Wohnung lag im dritten Stock. Als ich oben ankam, stand aber nicht Gloria in der Tür, sondern eine dünne, kurzhaarige Frau in Schlüpfer und T-Shirt. Sie kniff die Augen zusammen, weil das Flurlicht sie blendete.
    »Was wollen Sie?« fragte sie.
    »Ist Gloria da?«
    »Wer sind Sie?«
    »Ein alter Freund.«
    »Scheiße, aber doch nicht um diese Zeit.«
    »Wer ist da?« hörte ich dann Glorias Stimme aus der Wohnung.
    »Irgend so ein Typ, der sagt, er sei ein alter Freund von dir.«
    Dann stand Gloria vor mir, in Boxer Shorts und einem dunkelblauen Adidas-T-Shirt. Sie blinzelte ebenfalls. Und: Ihre Haare waren weg. Sie waren immer noch so rot wie früher, aber sehr kurz.
    »Ach du meine Güte«, sagte Gloria, als sie mich erkannte.
    »Darf ich reinkommen?«
    »Ja, klar«, sagte Gloria. Der anderen Frau schien das überhaupt nicht zu passen. Sie stöhnte, verdrehte die Augen, verschwand dann aber.
    Gloria führte mich in die Küche. In der Mitte stand ein schwerer Holztisch, darüber hing eine Lampe. An den Wänden offene Regale, in denen Gewürze, Töpfe und Gläser standen. Auch ein Schrank war da, aber der hatte keine Tür mehr, so daß man das ganze Geschirr sehen konnte. Unsere gemeinsame Wohnung war eleganter gewesen.
    »Du siehst ziemlich mies aus«, sagte Gloria. »Willst du einen Kaffee?«
    »Gerne«, sagte ich.
    Sie setzte einen Kessel mit Wasser auf, stopfte Filterpapier in einen Porzellanfilter und schaufelte Kaffeepulver hinein.
    »Tut mir leid«, sagte ich, »daß ich um diese Zeit hier auftauche.«
    »Schon gut«, sagte sie, »in einer Stunde wäre ich sowieso aufgestanden. Woher hast du gewußt, wo ich wohne?«
    »Von Beck. Jedenfalls, daß du in Düsseldorf wohnst. Als ich deinen Namen nicht im Telefonbuch fand, habe ich ins Impressum der Rheinischen Post geschaut. Bingo. Woher der neue Name?«
    »Ich habe noch mal geheiratet«, sagte sie, »aber jetzt bin ich wieder getrennt. Nur den Namen habe ich noch.«
    »Kannst du dir keine eigene Wohnung mehr leisten?«
    »Wieso?«
    »Na, weil du jetzt in einer WG wohnst.«
    »Das ist keine WG. Cornelia und ich leben zusammen.«
    Ich sagte nichts.
    »Sie ist meine Freundin.«
    »So richtig?«
    »Mit allem Drum und Dran.«
    »Aha. Und was ist mit deinen Haaren passiert?«
    »Es ging mir auf die Nerven, daß ich deswegen ständig angestarrt wurde. Und Cornelia gefällt es so besser.«
    Das Wasser kochte, und sie goß es über den Kaffee. Als er durchgelaufen war, kippte sie

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