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Liegen lernen

Liegen lernen

Titel: Liegen lernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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    Was jetzt?
     
    Ich war am anderen Ende der Stadt angelangt und hatte auch schon ein paar Schluck Weinbrand intus, als ich eine Telefonzelle betrat und in dem Telefonbuch nach Giselas Namen suchte. Ich fand nur den ihrer Eltern. Dort rief ich an. Ihre Mutter erinnerte sich an mich, fand es toll, daß ich mich mal wieder bei Gisela melden wollte, und gab mir ihre Adresse und Telefonnummer. Sie sagte noch, Gisela habe geheiratet und heiße nun anders. Ich bedankte mich und verabschiedete mich höflich.
    Ich war schon seit fast zwei Stunden unterwegs und die Füße taten mir weh, also rief ich von der Zelle aus ein Taxi und ließ mich zu Giselas Adresse fahren.
    Sie schien es gut getroffen zu haben, das Haus lag in einem noblen Vorort, ein schicker Flachdach-Bungalow. Als ich die zwei langgezogenen Stufen zur Haustür hinaufging, ging automatisch das Licht über der Tür an. Bevor ich klingelte, atmete ich noch mal in meine Hand und roch daran. Natürlich hatte ich eine Fahne. Ich durfte ihr nicht zu nahe kommen. Ich klingelte. Ein Kind machte die Tür auf und sah mich an, ohne etwas zu sagen. Es war nicht zu erkennen, ob es ein Junge oder Mädchen war. Es trug so etwas wie einen Schlafanzug und hatte einen alten Teddy unter dem Arm, aus dem schon die Füllung herausschaute. Ich sagte hallo und fragte das Kind, ob seine Mutter zu Hause sei. In diesem Moment rief sie von drinnen: »Kim, wer ist denn da?«
    Dann tauchte Gisela auf, offensichtlich aus der Küche. Sie trug eine Schürze und wischte sich gerade die Hände daran ab. Auf der weißen Schürze zeigten sich schwarze Streifen. Es sah aus, als koche sie mit Motoröl. Sie war dick geworden. Sie blies eine Strähne aus ihrem Gesicht, aber die fiel sofort wieder herunter.
    »O Gott!« sagte sie.
    »Ich bin’s nur«, sagte ich.
    »Wo kommst du denn her!«
    »Von draus vom Walde«, sagte ich, da sie wohl eher mit dem Weihnachtsmann als mit mir gerechnet hatte. Sie strich die widerspenstige Strähne mit einer energischen Handbewegung endgültig hinters Ohr und fragte mich, was sie für mich tun könne. Kim stand zwischen mir und seiner Mutter und sah mich an. Ich sagte, ich hätte sie gern mal gesprochen. Ob ich nicht hereinkommen könnte. Sie dachte einige Sekunden darüber nach, dann trat sie zur Seite, und ich ging an ihr vorbei. Sie führte mich ins Wohnzimmer, wo ich mich auf einen schwarzen, ledernen Zweisitzer setzen durfte. Der Boden war weiß gefliest, unter der Ledergarnitur lag ein dicker Perser. Das Wohnzimmer war mindestens dreißig Quadratmeter groß. An einer Seite war eine große Scheibe und eine Balkontür. Der dahinterliegende Garten war nicht zu sehen, da die Rolladen heruntergelassen waren. In der Ecke stand ein Sessel, in dem man lesen konnte, aber ich sah nirgendwo Bücher. In einem Vitrinenschrank standen kleine weiße Skulpturen. Als mein Blick darauf fiel, sagte Gisela: »Die stehen da nur, weil meine Mutter sie mir geschenkt hat und ich es nicht über mich bringe, sie wegzuwerfen. Also, was kann ich für dich tun?« Sie setzte sich in einen der Sessel, aber nur ganz vorne, auf die Kante, als würde sie gleich wieder aufstehen.
    »Ich weiß nicht, was du für mich tun kannst. Ich weiß eigentlich gar nicht, warum ich hier bin.«
    Plötzlich mußte ich heulen. Das war der Alkohol. Nie wieder eine andere Frau. Und wie war es mit denen von früher? Ich dachte daran, wie sich Gisela immer… ja, aufgeopfert hatte, sogar beim Sex. Wie sie alles in den Dienst der »Sache« gestellt hatte. Sie kam mir plötzlich unglaublich liebenswert, liebenswürdig vor. Was für eine großherzige, liebevolle Frau! Eine GroßHERZogin!
    »Warum warst du damals mit mir zusammen?« fragte ich und wischte mir ein paar Tränen von der Wange und zog meinen Rotz in die Nebenhöhlen. Kim stand in der Wohnzimmertür und schien langsam Angst zu kriegen. Gisela drehte sich zu ihm um und bat das Kind, auf sein Zimmer zu gehen. Als es sich nicht rührte, stand sie auf, nahm es bei der Hand, führte es hinaus und verschwand irgendwo im Haus. Ein paar Minuten saß ich allein herum. Dann kam Gisela zurück und verschloß hinter sich die Wohnzimmertür.
    »Findest du das nicht ein wenig merkwürdig, hier spät am Abend angetrunken aufzutauchen und so eine Frage zu stellen? Das ist alles so lange her.«
    »Kannst du mir trotzdem eine Antwort geben?«
    »Na, was glaubst du wohl, warum ich mit dir zusammen war?«
    »Keine Ahnung, deshalb frage ich ja.«
    »Weil ich in dich

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