Life - Richards, K: Life - Life
fing ich an, die Labels zu verzieren, richtig künstlerisch, zum Beispiel die Reggae-Kassette mit einem wundervollen Löwen von Judäa.
Ich erinnere mich daran, dass ich am neunten Tag eine Kassette auf eine andere überspielen wollte. Alles war vorbereitet, ich hatte den Track notiert, ich drückte auf Play. Und als ich mich umdrehe
- zack! Ein dreizehntelsekündiger Schlaf im Stehen, bevor ich nach vorne kippe und auf den JBL-Lautsprecher krache. Dadurch kam ich wieder zu mir, konnte aber blöderweise überhaupt nichts sehen; vor meinen Augen ein Vorhang aus Blut. Dann waren da diese drei Stufen. Die habe ich bis heute nicht vergessen, denn ich brachte es tatsächlich fertig, jede einzelne zu verfehlen. Schließlich rollte ich mich zur Seite und pennte auf dem Boden ein. Irgendwann, wahrscheinlich einen Tag später, wachte ich mit blutverkrustetem Gesicht auf. Acht Tage, acht mal vierundzwanzig Stunden. Und am neunten Tag stürzte er.
Anfang 1977 war die Band schon in Toronto, während ich meine Abreise immer weiter hinauszögerte. Ich ließ die anderen warten, trotz ihrer vielen Telegramme: »Wo bleibst du?« Wir sollten im El Mocambo spielen, um ein paar weitere Tracks für unser Album Love You Live aufzunehmen, und vorher mussten wir ein paar Tage proben. Aber aus unerfindlichen Gründen konnte ich mich nur schwer von den Ritualen in der Old Church Street losreißen. Außerdem musste ich Anita zum Aufbruch bewegen, ebenfalls keine leichte Aufgabe. Am 24. Februar stiegen wir endlich ins Flugzeug; zehn Tage vor den beiden Auftritten im El Mocambo. Im Flieger setzte ich mir einen Schuss, der Löffel landete irgendwie in Anitas Tasche. Als sie uns im Flughafen filzten, war ich sauber - während sie bei Anita den Löffel in der Tasche entdeckten und sie verhafteten. Doch die Kanadier hatten es nicht eilig. Mit großer Hingabe bereiteten sie ihren eigentlichen Coup vor: Sie wollten mich im Harbour Castle Hotel hochnehmen - immer den Junkies nach, dann würden sie schon fündig werden. Zudem hatten sie ein bisschen Zeug abgefangen, das ich vorausgeschickt hatte. Alan Dunn, dienstältester Mitarbeiter der Stones und Topexperte für Logistik und Transport, fand später heraus, dass die altgedienten Hotelangestellten
plötzlich lauter neue Kollegen hatten, meist Telefon-oder Fernsehtechniker. Die Obrigkeit scheute also keine Kosten und Mühen, um einen einzigen Gitarristen festzunageln. Sicher wusste der Hotelchef Bescheid, aber alle hielten dicht. Unser Tourmanager Peter Rudge hatte das gesamte Personal von unserem Stockwerk abgezogen, um Kosten zu sparen, weshalb die Polizei gleich direkt an meine Tür klopfen konnte. Normalerweise hätte Marlon keine Bullen reingelassen, aber diese Exemplare hatten sich als Kellner verkleidet. Allerdings hatten sie ein Problem: Ich wollte einfach nicht aufwachen. Wenn man nicht bei Bewusstsein ist, können sie einen nicht verhaften, so will es das Gesetz. Sie brauchten ganze fünfundvierzig Minuten. Ich war fünf Tage am Stück wach gewesen, hatte mir eine ordentliche Dosis verpasst und war dementsprechend weg vom Fenster. Sie tauchten ausgerechnet am letzten Tag der Proben auf, ich hatte erst zwei Stunden gepennt. In meiner Erinnerung wache ich auf, und es macht klatsch, klatsch, klatsch , denn diese beiden Mounties zerren mich durchs ganze Zimmer und hauen mir dabei dauernd eine runter. Um mich »bei Bewusstsein« zu halten. Klatsch klatsch klatsch klatsch klatsch. Wer sind Sie? Wie heißen Sie? Wissen Sie, wo Sie sind und warum wir hier sind? »Mein Name ist Keith Richards. Ich bin im Harbour Hotel. Keine Ahnung, was Sie hier wollen.« Aber sie hatten meinen Vorrat schon aufgespürt, circa eine Unze, also eine ganze Menge. Was man halt so braucht, um durchzukommen; auch wenn ich die ganze Stadt damit nicht bei Laune halten konnte. Doch sie kannten sich aus und wussten daher, dass dieser Shit ganz sicher nicht aus Kanada stammen konnte. Sondern aus England. Ich hatte das Zeug im Flightcase transportiert.
Und so verhafteten sie mich und schafften mich auf ihr Mountie-Revier, und das zu dieser Uhrzeit! Zunächst nahmen sie meine Personalien auf, die übliche Leier. Weil sie eine relativ große Menge
Stoff gefunden hatten, beschlossen sie, mir auch noch Drogenschmuggel anzuhängen, was in Kanada zwangsläufig einen längeren Gefängnisaufenthalt nach sich zieht. Okay, sagte ich, schon gut, jetzt gebt mir erst mal ein Gramm zurück. »Das ist nicht möglich.« Ach ja? Ihr wisst,
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