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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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mag impulsive Frauen, und in dieser Hinsicht war Anita eine echte Herausforderung - eine Walküre, die über Leben und Tod auf dem Schlachtfeld entscheidet. Aber sie geriet aus der Spur. Sie wurde gefährlich, lebensgefährlich. Zornig war sie immer, ob wir gerade Heroin am Start hatten oder nicht, aber wenn wir keins hatten, rastete sie vollends aus. Wir, Marlon und ich, bekamen es mit der Angst zu tun: Was würde sie sich - oder uns - als Nächstes antun? In solchen Fällen brachte ich Marlon runter in die Küche. Wir setzten uns zusammen hin und sagten uns, am besten warten wir ab, bis Mum sich wieder eingekriegt hat. Sie schmiss irgendwelches Zeug durch die Gegend, ohne Rücksicht auf Verluste. Wenn man nach Hause kam, waren die Wände rot von Blut oder Wein. Man wusste nie, was einen erwartete. Wir hofften bloß, dass sie mal ohne nächtlichen Schreianfall durchschlafen würde. Aber dann stand sie doch wieder oben an der Treppe, brüllte herum wie
Bette Davis und schleuderte irgendwelches Glaszeug nach uns. Sie war eine harte Nuss, und Mitte der Siebziger war es wirklich kein Spaß mehr; irgendwann war es nicht mehr auszuhalten. Sie kotzte mich an, sie kotzte Marlon an, sie kotzte sich selbst an. Das weiß sie auch, und ich schreibe es ganz offen in diesem Buch. Ich fragte mich nur noch: Scheiße, wie komme ich da raus, ohne die Kinder zu verlieren? Dabei habe ich Anita wirklich geliebt. Ich lasse mich nicht derart mit Frauen ein, wenn ich sie nicht aufrichtig liebe. Wenn was nicht funktioniert, suche ich den Fehler immer bei mir - ich betrachte es als meine Pflicht, die Sache am Laufen zu halten. Aber mit Anita war das nicht mehr möglich. Nichts konnte ihren Selbstzerstörungstrip stoppen. In der Hinsicht war sie wie Hitler, sie wollte alles mit sich in den Abgrund reißen.
    Ich hatte oft versucht, von den Drogen runterzukommen. Nicht so Anita. Sie schlug die entgegengesetzte Richtung ein. Beim bloßen Vorschlag, auf Entzug zu gehen, schaltete sie auf stur und steigerte ihre Dosis eher noch. Um den Haushalt kümmerte sie sich nur noch sporadisch. Ich fragte mich: Scheiße, was soll das Ganze? Gut, sie ist die Mutter meiner Kinder. Also halte ich besser die Klappe. Ich liebte sie, ich tat alles für sie. Wenn sie Schwierigkeiten hatte, war ich für sie da. Lass mal, ich mach das schon.
    »Skrupellos« - das Wort trifft ihren Charakter ganz gut. Und das sage ich ihr hier gerne ins Gesicht, weil sie es auch sehr genau selbst weiß. Damit muss sie jetzt leben. Ich habe getan, was ich tun musste. Anita muss sich die Frage stellen, wie sie so eine Scheiße bauen konnte. Ich meine, wir wären doch sonst immer noch zusammen! Ich mag keine Veränderungen, erst recht nicht, wenn Kinder im Spiel sind. Heute können Anita und ich mit den Enkeln Weihnachten feiern, und wenn wir so zusammensitzen, werfen wir uns ein schiefes Lächeln zu: Hey, du alberne alte Kuh, wie geht’s? Mittlerweile ist sie gut beieinander, sie ist zu einem gütigen Geist
geworden, zu einer fantastischen Großmutter. Sie hat überlebt. Aber, Baby, es hätte so viel besser laufen können.
    Damals schottete ich mich immer mehr von ihr ab. Sie selbst hatte auch keine große Lust, im Studio ganz oben im Haus zu uns zu stoßen. Die meiste Zeit verbrachte sie im Donald-Sutherland-Gedenkschlafzimmer, wo dicke Ketten von der Decke baumelten; eigentlich war das nur Deko, aber man fühlte sich doch ein bisschen wie in der Sado-Maso-Hölle. Die üblichen Verdächtigen schauten vorbei, Stash und Robert Fraser, und auch viele der Monty-Python-Truppe. Vor allem Eric Idle hing öfter bei uns ab.
     
    In dieser Zeit in der Church Street stellte ich meinen Rekord in Sachen »Wach bleiben mit Merck« auf: unglaubliche neun Tage ohne Schlaf! Noch am neunten Tag war ich gut dabei. Okay, vielleicht hatte ich das eine oder andere Nickerchen gehalten, aber immer nur höchstens zwanzig Minuten. Ich bastelte an meinen Sounds herum, ich machte mir Notizen, ich schrieb Songs - ich war zu einem wahnsinnigen Einsiedler mutiert. Wobei ich in diesen neun Tagen durchaus Besuch bekam. Meine Londoner Bekannten schauten vorbei, in meiner Höhle war ständig was los, aber für mich fühlte sich das alles wie ein einziger langer Tag an. Die anderen taten, was sie nicht lassen konnten, sie schliefen, putzten sich die Zähne, gingen kacken, während ich immer weiter schrieb, meine Sounds umorganisierte und alles auf doppelten Kopien sicherte, auf Kassetten, wie damals üblich. Irgendwann

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