Liliane Susewind – Delphine in Seenot (German Edition)
zusammen. Herr Albertini riet allen Passagieren, sich in ihre Kabinen zurückzuziehen und das Unwetter dort abzuwarten. Die Susewinds folgten seinem Rat umgehend, sammelten Bonsai und Frau von Schmidt ein, eilten unter Deck und verbarrikadierten sich. In der folgenden Stunde rüttelte und schüttelte der Sturm die Aventura , doch dann war der Spuk vorüber und die See beruhigte sich schnell wieder. Als Lilli und ihre Familie wieder auf Deck gingen, sagte ihnen der Steuermann, dass sie durch den Sturm ein wenig vom Kurs abgekommen waren. Lilli dachte zuerst, dies sei eine schlechte Neuigkeit, doch dann bemerkte sie, dass keines der Verfolgerboote mehr in der Nähe war. Die fotoverrückten Delphin-Fans hatten sie offensichtlich im Sturm verloren!
Die Delphine waren allerdings noch da. Sie sprangen übermütig aus den Wellen vor dem Schiff. Lilli und Jesahja tauschten einen Blick. »So eine Chance bekommen wir so schnell nicht nochmal«, sagte Jesahja.
»Was für eine Chance?«, fragte Feline, die in ihrem Rollstuhl zu ihnen gekommen war.
»Die Foto-Geier sind weg«, erklärte Lilli. »Wir könnten mit den Delphinen reden – und mit ihnen schwimmen.«
Felines Augen leuchteten auf. Sie war seit dem Tag, an dem sie Fitz und Zapp gerettet hatten, nicht mehr im Wasser gewesen. Sie strahlte. »Ich würde so gern einmal mit Delphinen schwimmen. Dann wäre ich das glücklichste Mädchen auf der Welt!«
»Was?« Genoveva trat neben sie. Sie hatte den letzten Satz gehört. »Was würde dich zum glücklichsten Mädchen der Welt machen?«
Die Kinder erklärten es ihr. Genoveva sah sie durchdringend an und spielte an den Rosen in ihrem Haar herum. Die Rosen waren innerhalb der vergangenen zwei Wochen getrocknet, trotzdem steckte Genoveva sie sich immer wieder ins Haar, da sie an Bord keine frischen Blumen hatte. »Ich möchte so gern, dass du glücklich bist, Purzelchen. Aber das ist gefährlich! Wir sind mitten auf dem Atlantik, auf offener See!«
»Du könntest ja mitschwimmen! Auch Lillis Eltern und ihre Oma könnten mitschwimmen!«, rief Feline bittend. »Außerdem passen die Delphine auf mich auf!«
Lillis Vater und Lillis Oma hörten Felines aufgeregte Stimme und kamen ebenfalls herbei.
»Schwimmt ihr mit uns?«, fragte Lilli und erzählte ihnen, was sie vorhatten. Ihr Vater und ihre Oma waren begeistert von der Idee, und sie überzeugten Genoveva davon, dass es das Risiko wert war.
»Aber was ist mit der Mannschaft?«, gab Genoveva zu bedenken.
»Im Moment sind alle unter Deck, zur Kapitänsbesprechung«, sagte Jesahja. »Deshalb bewegt sich das Schiff auch nicht von der Stelle. Wenn wir leise sind, bemerkt bestimmt niemand etwas.«
»Dann los!«, rief Genoveva, und alle hasteten zu den Kabinen, um sich Badesachen anzuziehen.
Bevor Lilli in ihre Kabine ging, machte sie jedoch einen Abstecher zum Heck des Bootes. Sie vermutete, dass ihre Mutter dort war.
»Hallo Lilli!«, kreischte eine der Möwen, die der Aventura seit Wochen folgten. Sie saß auf einem Quermast und betrieb Gefiederpflege.
»Hallo Möwe«, antwortete Lilli. »Habt ihr den Sturm gut überstanden?«
»Aber sicher!«, erwiderte die Möwe. »Wir sind doch Profis!«
Lilli lächelte, rief »Bis dann!« und ging weiter. Sie musste mit ihrer Mutter reden.
Frau Susewind saß auf einem kleinen Stuhl am Ende des Bootes. Wie so oft arbeitete sie an ihrem Konzept.
»Mama, wir schwimmen mit den Delphinen«, sagte Lilli vorsichtig. Sie wollte ihrer Mutter nicht auf die Nerven gehen, aber sie wünschte sich aus ganzem Herzen, dass sie sich ihnen anschließen würde.
»Lilli, ich …« Frau Susewind betrachtete ihre Tochter seufzend. »Also …« Sie fuhr sich zerstreut durchs Haar. Dabei fiel ein Blatt Papier zu Boden. Sie bückte sich danach. Doch bevor Frau Susewind das Blatt aufheben konnte, kam ihr jemand zuvor. Lilli spürte den Luftzug eines Flügelschlags neben sich, und schon flog die Möwe an ihr vorbei. Der große weiße Vogel landete geschmeidig neben Frau Susewinds Füßen, hob das heruntergefallene Blatt auf und hielt es Lillis Mutter hin.
Frau Susewind starrte die Möwe mit aufgerissenen Augen an und zog das Blatt langsam aus ihrem Schnabel.
»Immer zu Diensten!«, krächzte die Möwe. »Flatterzeugs ist eingesammelt!« Damit flog sie davon. Lillis Mutter sah dem Vogel lange nach, dann wanderte ihr Blick zu Lilli. »Ich glaube, ich sollte mehr darüber erfahren, welches Verhältnis du eigentlich zu Tieren hast, Lilli«, sagte sie mit
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