Liliane Susewind - So springt man nicht mit Pferden um
auf ihrer Bank sitzen und verfolgte das Geschehen aus der Ferne. Und an einem Baum lehnten Gloria und Viktoria, die mit finsteren Mienen beobachteten, wie die halbe Schule sich um Wolke und Darling drängte. Auch Torben schien es ganz und gar nicht zu gefallen, dass Wolke plötzlich im Mittelpunkt stand.
»Wieso hast du ein eigenes Pferd?«, wollte Jessica aus der Klasse über ihnen wissen.
»Meine Familie hat einen Reiterhof«, antwortete Wolke.
Augenblicklich ertönten zahllose »Ohs« und »Wows«.
Wolkes Wangen röteten sich vor Freude. Da stieß sie jemand an und sagte anerkennend: »Coole Schuhe!« Als Wolke das hörte, vertiefte sich das Freudenrot auf ihren Wangen. Sie trug ihre neuen Turnschuhe.
»Ich wollte schon immer mal auf einem Pferd reiten«, bemerkte Jessica nun, während sie Darling vorsichtig über die Nüstern strich. »Kann man bei euch Reitstunden nehmen?«
Wolke war von dieser Frage so überrascht, dass sie Jessica sprachlos anstarrte. Jesahja kam ihr zu Hilfe. »Klar kann man das!«, sagte er und sprach so laut, dass ihn alle gut hören konnten. »Lilli und ich machen das auch. Wir durften uns auf dem Jansenhof unsere Pferde selbst aussuchen und reiten jetzt jeden Tag!«
»Echt?«, erwiderte ein Junge, der neben ihm stand. Ihm war anzusehen, dass ihm die ganze Sache weitaus »cooler« erschien, wenn ein Junge wie Jesahja auch zum Reiten ging. »Kann ich das auch machen?«, fragte er.
»Bestimmt!«, erwiderte Jesahja. »Bei den Jansens kann man auch Schnupperstunden nehmen.« Wolke blickte ihn fragend an, aber Jesahja zwinkerte ihr nur zu. »Man kommt einfach mal auf den Hof und guckt, ob einem das Reiten Spaß macht.«
»Wenn meine Mutter es mir erlaubt, komme ich mal zu euch, ja?«, fragte Jessica Wolke. »Wo wohnt ihr denn?«
»Ja! Ich möchte auch reiten!«, rief ein anderes Mädchen.
Lilli konnte kaum glauben, was gerade geschah. Es sah so aus, als würde der Jansenhof nun die Reitschüler bekommen, die ihm so dringend fehlten!
Wolke fand ihre Sprache wieder und erklärte, wie man am besten zum Reiterhof kam. Dabei stahl sich ein Lächeln in ihr Gesicht, und sie warf Jesahja einen dankbaren Blick zu. Die Idee mit den Schnupperstunden war einfach super. »Ihr könnt alle am Wochenende kommen, wenn ihr möchtet«, schlug Wolke vor, und die Umstehenden willigten begeistert ein.
Mut
»Was ist denn hier los? Wem gehört das Pferd?«, erklang die Stimme von Herrn Gümnich, der gerade über den Schulhof auf sie zu eilte.
»Das ist meins«, erwiderte Wolke. »Es ist mir nachgelaufen.«
Der Lehrer seufzte. »Das scheint hier langsam zum Trend zu werden.« Er schüttelte den Kopf. »Ins Klassenzimmer kann es aber nicht! Ein Pferd ist kein Schoßhund!«
»Es könnte da drüben grasen«, schlug Jesahja vor und zeigte auf ein Stück Wiese, das gleich neben dem Schulhof lag.
»Läuft es dort nicht weg?«
»Nicht, wenn Lilli ihm sagt, dass es da bleiben soll.«
Herr Gümnich nickte und bat Lilli, mit dem Pferd zu sprechen. Lilli tat das gern und schärfte Darling ein, auf keinen Fall fortzulaufen, auch wenn sie und Wolke nun im Schulgebäude verschwinden würden. Während Lilli mit Darling redete, löste sich die Schüleransammlung auf, und alle begaben sich in ihre Klassen.
Ein paar Minuten später saß auch Lilli im Klassenraum. Durch das Fenster konnte sie Darling sehen, die auf der ausgetrockneten Wiese neben dem Schulhof geduldig nach fressbarem Gras suchte.
Lilli wandte ihre Aufmerksamkeit dem Geschehen im Klassenzimmer zu. Frau von Schmidt thronte auf Herrn Gümnichs Pult – mitten auf den Unterlagen des Lehrers – und blickte würdevoll in die Runde. Herr Gümnich hatte sich inzwischen daran gewöhnt, dass die Katze gern dort saß, wo alle sie sehen konnten. Bonsai lag derweil zufrieden zwischen Lilli und Trixi unter dem Tisch.
Trixi spielte mit einem Bleistift herum und schien sehr angespannt zu sein. Da knackte der Bleistift zwischen ihren Fingern und brach mittendurch.
Lilli wagte einen kurzen Seitenblick auf Trixi. Sie sah wütend aus. Was war nur los? Da fiel Lilli auf, dass auch mit Wolke etwas nicht in Ordnung zu sein schien. Wolke wirkte aber nicht wütend, sondern eher verstört. Verängstigt! Irgendetwas musste passiert sein, während Lilli sich um Darling gekümmert hatte!
Da rief der Lehrer: »Wolke! Wo sind denn deine Schuhe?«
Lillis Blick wanderte zu Wolkes Füßen. Ihre Turnschuhe waren fort. Wolke trug nur noch Socken.
Wolke war die Frage des Lehrers
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