Liliane Susewind - So springt man nicht mit Pferden um
spaßherrlich. Hier lang!« Er lief leichtfüßig zum Platz zurück.
»Keine Angst …«, wiederholte Storm. »Keine Angst.« Er setzte sich langsam in Bewegung. Mit kleinen Schritten trat er durch das Gatter, und Lilli hörte Tom und Slavika nach Luft schnappen.
»Du musst einfach nur rumlaufen«, erklärte Merlin Storm. »Und wenn eine Hürde kommt, springst du drüber. Ist ganz leicht! Laufen, springen, laufen, springen.« Schon begann Merlin wieder zu traben. »Guck mal!« Er nahm Anlauf und hielt auf ein Hindernis zu. »Guck dir das an! Ich bin ein Wunderpfe-e-erd!«, wieherte er Storm aufgekratzt zu und achtete dabei nicht genug auf das Hindernis. Erst im letzten Moment bemerkte er, dass es bereits direkt vor ihm war, und setzte ächzend zum Sprung an. Seine Vorderläufe stießen gegen die oberen beiden Stangen der Hürde und rissen sie herunter. Mit lautem Getöse fielen sie zu Boden.
Storm zuckte zusammen und starrte Merlin erschrocken an.
»Ach herrje-e-e!«, wieherte Merlin. »Das war wohl nichts.« Er schüttelte die weißgraue Mähne. »Da habe ich die Klappe zu weit aufgerissen, was? Ha!« Er lachte ein Pferdelachen.
Storm kam zögerlich näher. »Hast du keine Schmerzen?«
»Quatsch! Was für Schmerzen?«
»Oh … aber … schlägt dich denn jetzt niemand?« Storm blickte zu Lilli. Doch er schien sofort zu erkennen, dass Lilli Merlin gewiss nicht schlagen würde. Er schaute zu den Jansens hinüber und schien zu demselben Schluss zu kommen. Von diesen Menschen würde keiner Merlin schlagen. Verwirrt schüttelte Storm den Kopf, während Tom und Slavika auf den Platz kamen, um die heruntergerissenen Stangen wieder auf das Hindernis zu hieven.
Merlin zappelte hin und her. »Warte! Guck jetzt nochmal! Ich springe über das da!« Er lief wieder los und sprang konzentriert über das nächste Hindernis. »Ah! Das war gut! Hast du das gesehen?«
In Storms schönen Augen glomm plötzlich etwas auf. Lilli sah es genau, denn sie stand nahe genug bei dem Hengst, um zu bemerken, dass etwas in ihm vorging. »Wenn es kein Feuer und keine Schläge gibt, macht das Springen vielleicht wirklich Spaß …«, murmelte er und scharrte mit dem Vorderhuf in dem lockeren, mit Blümchen bewachsenen Boden. »Keine Angst …« Er begann zu traben. »Einfach nur laufen und springen. Laufen und springen. Ganz einfach«, schnaubte er vor sich hin, während er ein Hindernis anvisierte. Er beschleunigte und sprang. Mit einer Eleganz, die selbst Frau von Schmidt neidisch gemacht hätte, flog er im hohen Bogen über die Stangen und setzte graziös auf der anderen Seite wieder auf.
»Ui-i-i!«, jubelte Merlin. »Das war ja supersteilhoch! Du bist wirklich nicht übel, Junge. Im Ernst! Das stimmt!«
Storm schnaubte freudig.
»Springen wir über das da drüben!« Merlin eilte an Storms Seite.
Lilli konnte kaum fassen, was sie sah: Der Schimmel und der schwarze Hengst stürmten gemeinsam auf ein doppeltes Hindernis zu. Im nächsten Augenblick hoben sie gleichzeitig vom Boden ab und sprangen ohne Mühe über die erste und gleich darauf über die zweite Hürde.
Lilli hörte Slavika sagen: »Ich glaube, ich träume.«
Da wieherte Storm: »Das war gut, oder?«
»Ja! Sonderprächtig! Extrem sonderprächtig!«, stimmte Merlin zu. »Aber Lilli muss auch mitspringen!« Er sah sich nach ihr um. »Lilli-i-i! Kommst du wieder rauf?« Einladend wackelte er mit dem Hinterteil.
»Natürlich!« Lilli lief zu Merlin hinüber.
»Du brauchst auch einen Reiter!«, erklärte Merlin Storm.
Kaum hatte Merlin dies gesagt, versteifte sich Storm. »Nein«, ächzte er kaum hörbar.
»Warum nicht?«, fragte Merlin arglos, während er die Vorderbeine einknickte, um Lilli aufsteigen zu lassen. »Ist doch viel spaßlustiger mit einem Reiter.«
»Ich …« Storms Flanke zitterte.
»Im Ernst! Da drüben stehen doch genug rum!« Merlin wies mit dem Kopf auf die Jansens.
Storm blickte unsicher zu Annabell, Slavika und den anderen hinüber. »Sie sind Menschen.« Seine breite Brust bebte. »Und doch …« Er schnaubte. »Sie haben keine Prügelstöcke …«
Lilli hatte das Gefühl, dass nun der Zeitpunkt gekommen war, um auch etwas zu sagen. »Sie würden dich niemals schlagen. Keiner von ihnen. Sie fänden es wunderbar, wenn du einem von ihnen erlauben würdest, auf dir zu reiten.«
Storm starrte die Jansens grübelnd an. In seinem Kopf schien es schwer zu arbeiten. Schließlich sagte er: »Wenn der Junge auf mir reiten will, dann darf er
Weitere Kostenlose Bücher