Lilientraeume
ich werde seinem Beispiel bald folgen. Mom und Carolee übernehmen es übrigens, den Kühlschrank zu füllen.«
»Großartig. Ich bin mit meinem Pensum für heute ebenfalls durch. Anfangs sah es aus, als würden wir es nicht schaffen, und jetzt haben wir sogar noch etwas Luft.«
»Weil wir genug Helfer hatten.«
»Und weil ihr beiden Organisationstalente mal wieder ganze Arbeit geleistet habt. Das Haus ist übrigens super geworden. Rundum zum Wohlfühlen und zugleich sehr übersichtlich zum Arbeiten. Was bei einer Großfamilie schließlich nicht unwichtig ist. Möchtest du zur Feier des erfolgreichen Umzugs vielleicht ein Bier?«
»Keine schlechte Idee.«
Sie ging in die Küche, nahm zwei Flaschen aus dem Kühlschrank und öffnete sie. Schrecklich, wie förmlich sie miteinander umgingen, schoss es ihr durch den Kopf. Nüchtern und distanziert wie Fremde.
Avery fasste einen Entschluss, denn sie hatte endgültig genug von diesem Eiertanz. Sobald er durch die Tür trat, würde sie reinen Tisch machen. Und dann war er da.
»Bist du sauer auf mich?«
»Nein.« Er sah sie ruhig aus seinen blauen Augen an und legte seinen Werkzeuggürtel ab. »Warum sollte ich?«
»Ich weiß nicht. Aber wir … Ich – irgendwie läuft es seit der Hochzeit seltsam zwischen uns.«
Er bedachte sie mit einem nachdenklichen Blick und trank einen Schluck Bier. »Vielleicht hast du recht.«
»Wenn das mit uns für dich nicht funktioniert, wäre ich dir dankbar, wenn …«
»Wie kommst du bloß auf die Idee? Warum denkst du automatisch sofort, dass es zwischen uns nicht funktionieren oder zumindest nicht von Dauer sein kann?«
»So meine ich das doch nicht. Ich …« Als er einfach abwinkte, trat sie ans Fenster und presste mit rauer Stimme hervor: »Du bist sauer auf mich.«
»Allmählich werde ich es.« Wieder trank er von seinem Bier, stellte die Flasche auf den Tresen zurück und sah sie eindringlich an. »Was für ein Gefühl wäre das für dich, wenn ich dir erklären würde, das zwischen uns funktioniere für mich nicht? Und komm mir nicht mit irgendwelchen faulen Ausreden, sondern sei völlig ehrlich, Avery. Sag es mir, wie du dich fühlen würdest. Denn zugleich würde das ja bedeuten, dass ich eigentlich nicht richtig will, dass ich nicht an uns glaube.«
Sie biss die Zähne zusammen, um ein Zittern zu unterdrücken. »Es würde mir das Herz brechen. Ist es das, worum es dir geht? Musst du wissen, dass du diese Macht über mich hast?«
Er schloss seine Augen und atmete tief durch. »Ja. Genau das ist es, was ich wissen muss und worum es mir geht.«
»Gut, es würde mich zutiefst verletzen und kränken und aus der Bahn werfen, trotzdem …«
»Hör auf«, sagte er in ruhigem Ton. »Ich will nicht Schluss machen, ganz und gar nicht. Mein Problem besteht vielmehr darin, dass du uns keine Chance zu geben scheinst, dass du weder an mich noch an dich selbst noch an uns zwei glaubst.«
»Wie kommst du bloß auf diese dumme Idee? Natürlich glaub ich an uns.« Noch während sie die Worte aussprach, wusste sie mit einem Mal, was schiefgelaufen war: dass sie genau diesen Eindruck vermittelt hatte. »Ach Owen, ich rede manchmal dummes Zeug, denke dummes Zeug. Und du solltest mich gut genug kennen, um das richtig einzuschätzen.«
»Ich kenn dich sogar sehr gut und weiß, dass du loyal und großzügig, zäh und ehrgeizig bist. Aber du stellst dich viel zu sehr infrage und machst dir viel zu viele Gedanken darüber, ob du möglicherweise deiner Mutter nachschlägst. Avery, du bist eine völlig andere Persönlichkeit, das genaue Gegenteil von ihr. Das warst du immer schon, und es macht mich furchtbar sauer, dass du das nicht sehen willst.«
»Ich bemühe mich.«
»Hoffentlich, aber das hast du schon häufig gesagt, ohne dass sich etwas verändert hätte.« Er streckte die Hand nach seiner Flasche aus, ließ sie jedoch stehen. »Wir drehen uns im Grunde die ganze Zeit im Kreis und kommen keinen Schritt voran. Und das ist nicht okay, weil ich dich nämlich liebe.«
»O mein Gott.«
»Vermutlich hab ich dich immer schon geliebt – obwohl es eine halbe Ewigkeit dauerte, bis ich das kapierte. Und weil ich es lange selbst nicht wusste, hab ich von mir auf dich geschlossen und wollte dir Zeit lassen. Aber jetzt reich t ’s«, erklärte er. »Siehst du dieses Haus hier?«
Sie schaute ihn fragend an.
»Es ist mehr als nur ein großartig konzipiertes Gebäude zum Wohnen – es ist vor allem ein Ort, an dem man etwas aufbauen und an
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