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Lily und der Major

Lily und der Major

Titel: Lily und der Major Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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sich nicht wie Männer, sondern wie kleine Kinder.«
    Auf ihre schnippische Bemerkung kam
als Antwort ein ganzer Chor von Pfiffen, Zurufen und Geheule.
    Der Mann, der vor Lily stand – ein
Major, seinen Rangabzeichen nach – lächelte nur und zeigte dabei seine
makellos weißen Zähne. »Die Männer waren zwei Wochen lang auf Patrouille,
Madam«, erklärte er, ohne auf ihren Kommentar einzugehen.
    Etwas an seinem Lächeln gab Lily das
Gefühl, daß der Boden unter ihren Füßen schwankte, und sie mußte die Hand ausstrecken,
und sich an einer Stuhllehne festhalten. »Ich begreife trotzdem nicht, warum
sie sich wie eine Horde Zirkusaffen aufführen müssen.«
    Das Lächeln des Majors vertiefte
sich. »Sie haben natürlich recht«, sagte er. Jedes Wort, das aus seinem Munde
kam, klang höflich und respektvoll. Wieso nur hatte sie dann das Gefühl, daß er
sich über sie lustig machte?
    Lily schaute auf sein ordentlich
geknöpftes Hemd und fragte sich völlig unpassenderweise, ob seine Brust
wirklich so breit und muskulös war, wie sie erschien.
    Mit einem Kopfschütteln verdrängte
sie diese unerwünschten Überlegungen und bückte sich, um den Rest des Geschirrs
aufzuheben. Sie war erstaunt, als der Major neben ihr in die Knie ging, um ihr
zu helfen, aber sie hielt den Kopf abgewandt und schaute ihn nicht an.
    »Wie heißen Sie?« fragte er.
    Lily stellte den Rest des Geschirrs
so hart auf das Tablett, daß es klirrte. » > Stellenlos < , wenn ich nicht
bald in die Küche zurückgehe und meine Bestellungen abhole«, fuhr sie ihn an.
    Der Major nahm das schwere Tablett
und richtete sich mit müheloser Anmut auf, während Lily recht ungraziös auf die
Beine kam. Als sie das Tablett von ihm entgegennahm, kniff jemand sie in den
Po, und wieder fiel alles auf den Boden.
    Mit einem wütenden Aufschrei drehte
sich Lily um. »Wer war das?« herrschte sie die grinsenden Männer an.
    Ihr bot sich ein Bild der Unschuld.
Es war offensichtlich, daß niemand sich schuldig bekennen würde.
    Der Major räusperte sich, und die
Männer verstummten.
    »Das ist genug«, sagte er mit ruhiger
Autorität. »Der nächste, der diese Frau belästigt, wird seine Freizeit unter
Arrest verbringen. Ist das klar?«
    »Ja, Sir«, antworteten die Männer
einstimmig. Einer sammelte das Geschirr ein, und reichte Lily das Tablett,
worauf sie sich abwandte und in die Küche stürmte. Wieder einmal erinnerte sie
sich nur allzu deutlich an jenen Mann, der vor Jahren in das Leben ihrer Mutter
getreten war und Kathleen überredet hatte, Lily und ihre Schwestern mit dem
Waisenkinderzug fortzuschicken.
    Soldaten. Sie waren alle gleich.
    In der heißen Küche wartete Charlie
schon mit dem Essen. »Es wird alles kalt!« beschwerte er sich, wie sie erwartet
hatte, und deutete auf die Teller mit gebackenem Huhn, Kartoffelpüree und
Sauce.
    Hastig ordnete Lily ihr Haar und
steckte es zum zweiten Mal an diesem Tag zu einem Knoten zusammen. »Ich weiß«,
sagte sie leise. »Es tut mir leid.«
    Charlies Miene wurde sanfter. Er war
ein alter Mann mit spärlichem weißem Haar und schrulligen Manieren, aber im Grunde seines Herzens ein sehr gutmütiger
Mensch. »Wahrscheinlich haben die Jungen Sie wieder belästigt. Da geschieht es
ihnen nur recht, wenn sie ihr Essen kalt bekommen«, sagte er, während er aus
Töpfen und Kesseln weitere Teller füllte.
    Lily lächelte ihm zu und eilte mit
dem Tablett hinaus. Diesmal hielt sie sich von den Tischen entfernt, so gut es
ging, in der Hoffnung, weiteren Ärger mit den Soldaten zu vermeiden. Aber sie
benahmen sich erstaunlich gesittet.
    Als Lily den Ecktisch neben dem
Fenster erreichte, stellte sie bestürzt fest, daß dort der Major saß, zusammen
mit einem älteren Mann, der die Uniform eines Colonels trug. Eine elegant
gekleidete Dame mit eisengrauem Haar und sanftmütigem Gesicht saß neben dem
ranghöheren Offizier und lächelte, als Lily einen Teller vor sie hinstellte.
    »Sie sind
neu in Tylerville, nicht wahr?« fragte die Dame.
    Lily biß sich auf die Lippen und
nickte. Sie hatte keine Zeit zum Plaudern, aber sie wollte auch keinen Gast
beleidigen. »Ja, Madam«, antwortete sie. »Ich bin seit einem Monat hier.«
    Die Frau reichte ihr eine
behandschuhte Hand. »Willkommen«, sagte sie. »Mein Name ist Gertrude Tibbet.«
    Lily schaute auf den Major, der sie
interessiert betrachtete, und schluckte nervös. »Ich bin Lily«, erwiderte sie.
»Lily Chalmers.«
    »Das ist Major Caleb Halliday, ein
guter Freund von uns«,

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