Linksaufsteher: Ein Montagsroman
Nicht lustig. Wie schön, Sie wiederzusehen. Also das neulich, also ich muss echt noch mal sagen, also das … tut mir wirklich leid ? Zu devot. Guten Tag, meine Name ist … Sie kommt rein! Bitte lass sie mich nicht sehen! Bitte lass sie in den Teil mit den Stehtischen gehen! Ich brauche Zeit!
Für einen kurzen Moment hat es den Anschein, als hätte ich Glück, denn sie steuert tatsächlich nicht in meine Richtung. Ich will schon durchatmen, sehe aber, dass sie nur schnell am Tresen ihre Bestellung losgeworden ist. Jetzt dreht sie sich um und kommt genau auf meine Ecke zu. Sie ist wieder wie aus dem Ei gepellt. Jeder, an dem sie vorbeikommt, scheint mit einem Schlag ein paar Zentimeter kleiner zu werden. Einer rückt sogar ehrfürchtig einen Stuhl zur Seite, damit ihr Rollkoffer durchpasst.
So ein Mist! Die einzigen zwei freien Tische stehen links und rechts neben meinem. Gleich wird sie mich sehen. Ich weiß nicht, was ich sagen soll … Nein! Sie guckt zu mir … Dann guckt sie gleich wieder weg … Dann wieder zurück … Sie runzelt die Stirn … Mist!
»Ach, Sie?«
Ich springe auf, spüre einen heftigen Ruck an meinem Kopfhörer. Ich gucke verwirrt nach unten, sehe, wie mein Laptop vom Tisch segelt, und fühle, wie mir das Blut eimerweise ins Gesicht schießt.
»Hoppla. Oh je.«
»Das … das macht nichts. Das … das kann der ab.«
»Tatsächlich?«
Ich krieche unter dem Tisch herum und sammle den Laptop und die CD , die herausgefallen ist, wieder ein. Das geht leider viel zu schnell. Mir wäre es lieber gewesen, der Laptop wäre in tausend Teile zersprungen, die ich erst mal alle hätte finden müssen. Vielleicht hätte ich dann genug Zeit gehabt, um einen vernünftigen Plan fassen zu können. Stattdessen lege ich die Sachen auf den Tisch, und irgendeine Stelle in meinem Hirn befiehlt mir, einfach verdattert dreinzugucken und die Klappe zu halten.
»Oh, Sie hören ein Wolf-Haas-Hörbuch?«
»Nein, nein, ich arbeite hier. Ich … ja, genau, ich, also, arbeiten, ja. Ich muss nur noch schnell das hier … so, genau. Und dann muss ich auch schon gehen. Ja, muss ich …«
Ich mache ein konzentriertes Gesicht, schreibe »scheiße! laptop runtergeschmissen. geht aber noch« an meine Facebook-Pinnwand, fahre ihn herunter und packe hektisch meine Sachen zusammen, während die Frau, wegen der ich hier fast zwei Tage lang gesessen habe, am Tisch nebenan Platz nimmt, ein Buch aus der Seitentasche ihres Rollkoffers herauszieht und zu lesen beginnt. Ein Wolf-Haas-Buch.
»Ich, äh … Wiedersehen.«
»Lassen Sie sich nicht aufhalten.«
Montag
Wieder die halbe Nacht nicht geschlafen. Das allein ist nichts Besonderes, schließlich ist ja heute Montag. Besonders ist aber der Traum, den ich diese Nacht gehabt habe. Der war gar nicht scheußlich, wie sonst immer. Der war einfach nur seltsam. Und ein bisschen traurig. Ich habe die ganze Zeit auf den Hinterkopf eines Mädchens mit Zöpfen geschaut. Und ich wusste, dass das Mädchen keine Zöpfe haben wollte. Und ich habe mich gefragt, warum ich das wusste. An mehr kann ich mich nicht erinnern, obwohl ich die gesamte zweite Hälfte der Nacht drüber nachgegrübelt habe. Und als der Wecker piepte, habe ich nicht versucht, ihn mit meinem Schuh kaputtzuschlagen, wie sonst immer am Montagmorgen, sondern habe ihn einfach ausgeschaltet und bin, immer noch nachdenklich, ins Bad geschlurft.
Danach war allerdings alles wieder ziemlich normal. Ich habe mir Zahnpasta statt Rasierschaum ins Gesicht geschmiert, mein großer Zeh hat mal wieder eins der 16 Stuhlbeine in meiner Küche gerammt und der Kaffee war alle. Trotzdem, wenn es mir gelingt, jetzt gleich auf dem Weg zum Studio fünf Meter Abstand von allen Leuten zu halten, sollte eigentlich nichts passieren.
***
»Sie haben einfach nur schlechte Laune, was?«
»Ich habe keine schlechte Laune. Sie haben schlechte Laune!«
»Na hören Sie mal, erstens kann ich nichts dafür, dass Sie sich in meiner Hundeleine verheddert haben, und zweitens …«
»Stopp! Da fängt es doch schon an. Ich hab mich in Ihrer Hundeleine verheddert? Sie haben mich verheddert! Das Ding ist viel zu lang. Das war Absicht!«
»Sie sind lustig, wieso sollte ich mit Absicht …«
»Keine Ahnung, sagen Sie es mir. Um Ihren Hund zu quälen? Beine brechen zu sehen? Frauen anzubag-
gern?«
»Sie! Jetzt machen Sie aber mal einen Punkt.«
»Frauen anbaggern
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