Lipstick
ich …« Weiter kam ich nicht, weil ich es mir verbot, schon wieder das Wort schwanger in den Mund zu nehmen. Noch war überhaupt nichts bewiesen.
»Und ich spreche aus Erfahrung: Wenn er positiv ist, kannst du davon ausgehen …«
»Nein, verdammt!« Ich knallte mein Glas auf den Tresen, rannte einfach raus und flüchtete mich nach ein paar Metern in einen Klamottenladen. Greta kam erst hinterher, als ich schon dabei war, ein dunkelblaues, ziemlich weites Kleid anzuprobieren.
»Steht dir gut«, sagte sie verkrampft lächelnd. Ich wußte genau, was sie dabei dachte: Schöner Fummel! Wird dir auch noch im neunten Monat passen.
Kurz entschlossen kaufte ich das Kleid, aber als wir draußen waren, wechselte sie Gott sei Dank das Thema.
»Gehen wir was essen.?« fragte sie.
»Ja.«
Ich hatte auf einmal einen riesigen Hunger und war froh, daß wir schnell eine Bar fanden, in der man einen Happen essen konnte. Ich bestellte Calamari fritti, Greta irgendeine Pasta und Salat.
»Was fangen wir mit dem Rest des Tages an?« Greta griff nach meiner Hand und betrachtete den Mondsteinring.
»Ich weiß nicht. Ein bißchen rumlaufen. Vielleicht doch noch die Frari-Kirche?«
»Von mir aus.«
Während wir mit großem Appetit aßen, rekapitulierten wir den gestrigen Abend, und als wir damit durch waren, ließ ich mir von Greta Maurizios spezielle Fertigkeiten erläutern.
»Technik plus Leidenschaft«, brachte Greta ihren Superlover auf den Punkt. »Oder besser: Leidenschaft plus Technik …«
»Meinst du, das ist das Rezept fürs Leben?«
Sie schüttelte den Kopf. »Das Rezept für den Augenblick. So was kann kein Mensch durchhalten. Wie war das bei Jan?«
»So ähnlich. Ziemlich scharf gewürzt. Bei Hans war’s nur Erbsensuppe.«
»Bei Micha nicht mal Kartoffelpüree.«
Während Greta ein Salatblatt aufpiekste und langsam in den Mund schob, verkündete sie, daß sie nicht zu Micha zurückkehren werde.
Ich sah sie überrascht an. Immerhin hatte ich die ganze Zeit über geglaubt, das sei sowieso klar.
»Manchmal hab ich gedacht, wenn ich mir ein bißchen Mühe gebe, kriege ich das vielleicht noch mal hin mit ihm, schließlich hat Mäxchcn ein Recht auf seinen Vater, aber es funktioniert nicht. Micha ist doch die reinste Nullnummer! Er ist kein Vater, kein Liebhaber, kein Mann, der für mich da ist – nichts!« Sie bestreute ihren Pastarest dick mit Parmesan, wovon mir fast wieder schlecht wurde. »Irgendwie habe ich heute nacht kapiert, daß ich mich auch in Deutschland frisch verlieben kann.«
»Das hätte ich dir schon vor Monaten sagen können.«
»Ja. Hättest du. Aber ich hätte dir nicht geglaubt. So was muß man selbst erleben.«
Ein Geruch von Espresso und Fisch umnebelte meine Sinne, was mich ziemlich sentimental werden ließ.
»Und ich hab gar keine Lust mehr, mich zu verlieben«, jaulte ich plötzlich los.
»Du bist ja auch schon verliebt. In Jan. Und außerdem wirst du dich in dein Kind verlieben.«
Ich lächelte Greta müde an.
Nach dem Essen stiefelten wir gemächlich zum Campo San Rocco. Eine fast gleißende Mittagssonne wärmte unsere Gesichter.
»Könnten wir nur hierbleiben!« seufzte Greta.
»Ich hätte auch nichts dagegen.«
Zuletzt war ich vor bestimmt zehn Jahren in der Frari-Kirche gewesen. Mit einem Römer namens Ruggero, in den ich ein paarTage lang verschossen war, weil er mir schmeichelhafte Dinge sagte, auf intellektuell machte und außerdem unverschämt gut aussah. Stundenlang hatten wir vor Tizians »Assunta« gestanden und uns später an der Accademia-Brücke geküßt.
»Komm.«
Ich zog Greta zum Mittelschiff, wo die in flammendes Rot gehüllte Mutter Maria immer noch dabei war, in Begleitung einer Schar Engel himmelwärts zu steigen.
»Wahnsinn, was?«
Greta nickte ehrfürchtig.
»Diese Farben!«
»Ihr Kleid sieht genauso aus wie meins. Das heißt, es ist ja deins!« Jetzt grinste Greta. »Und hat mir gestern verdammt viel Glück gebracht!«
Ich schluckte, kriegte auf einmal Herzrasen. War ich jetzt völlig am Durchdrehen? Für einen kurzen Moment deutete ich es als Zeichen – die Muttergottes in dem roten Kleid, Greta in meinem roten Schwangerschaftskleid, dann fiel mir auch noch das Männchen in dem roten Mantel aus »Wenn die Gondeln Trauer tragen« ein …
Ich stierte die kleinen, fetten Engel an und fragte mich, was das Gemälde denn bitte schön mit Jans oder Hans’ Sperma zu tun hatte? Daß hier seit fast fünf Jahrhunderten die Mutter Maria samt Engelschar
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