Lipstick
Maurizio, oder …«
»Schon wieder oder …?« Ich mußte lachen.
»… oder wir treffen uns morgen früh um elf im ›Florian‹.« Greta fügte ein leises »Okay?« hinzu.
»Ich gönne es dir«, flüsterte ich ihr ins Ohr und umarmte sie.
»Aber bestehe bitte auf Kondom.«
»Wer denkt denn gleich an so was?«
» So was steht dir schon seit Stunden auf die Stirn geschrieben!«
»Und was ist mit Silvio?«
»Kein Bedarf! Ich hoffe, er verwechselt nach Hause bringen nicht mit Angrapschen.«
Dann ging ich. Silvio hakte mich unter, trug für mich auch den Rosenstrauß, und so stiefelten wir durch das nächtliche und schon fast winterkalte Venedig.
»Sind Sie verheiratet?« fragte Silvio nach ein paar Metern.
Ich schüttelte den Kopf. »Und Sie?«
Silvio war verheiratet und hatte drei Kinder im Alter von vier, sieben und zwölf. Nicht schon wieder so einer, dachte ich, aber dann schwärmte er mir in höchsten Tönen von seiner Frau vor, so daß ich nicht annahm, er würde mich ins Bett zerren wollen. Aus einer Art Melancholie heraus erzählte ich ihm von Jan, ein bißchen auch von Hans, woraufhin Silvio meinte, es sei doch schade, daß eine so sympathische Frau wie ich ihre Liebe verschleudere.
Ich zuckte nur die Achseln und versuchte ihm zu erklären, daß es Situationen im Leben gebe, in denen man nicht daran dachte, ob man gerade etwas verschleuderte, und auch nicht taktierte, um ja genug zurückzubekommen.
Es war zwar schwierig, solch eine Diskussion in unserem Sprachmischmasch zu führen, aber irgendwie verstanden wir uns dennoch. Als wir beim »Bei Sito« angekommen waren, schlug Silvio vor, wir könnten doch morgen beziehungsweise heute abend noch einmal zu viert essen gehen.
»Da sitzen wir schon im Flieger nach Deutschland.«
»Che Peccato.«
Das fand ich auch. Wir tauschten Adressen aus, küßten uns artig auf die Wange, und schon eine Viertelstunde später lag ich im Bett. Du bist jetzt dreißig, dachte ich, und dann freute ich mich darüber, daß ich mit mir allein so zufrieden sein konnte.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war mir wieder übel und Greta nicht in ihrem Bett. Verdammt, hatte ich mir etwa doch den Magen verdorben? In Venedig im Bett zu liegen und sich so hundeelend zu fühlen war wirklich nicht das, was ich mir an meinem dreißigsten Geburtstag erträumte. Ich duschte, trank ein paar Schlucke Mineralwasser, danach ging es mir schon erheblich besser. Zehn Uhr. In einer Stunde würde Greta ins »Florian« kommen. Ohne rechte Lust schminkte ich mich notdürftig und steckte Gretas Ring an, der im Tageslicht wunderschön kühl aussah.
Bereits um halb elf saß ich bei einem Cappuccino und einer Brioche im »Florian« und beobachtete das Treiben draußen auf der Piazza. Eine einsame Touristengruppe fütterte Tauben, und obwohl es gar nicht nach Regen aussah, trugen die meisten von ihnen kleine schwarze Regenschirme auf der Schulter, die sie wohl für zehntausend Lire bei einem der vielen asiatischen Händler erstanden hatten.
Meine Übelkeit war verflogen, ich fühlte mich so entspannt wie lange nicht mehr und wollte partout nicht glauben, daß wir heute abend schon wieder in Hamburg sein würden.
Greta kam eine Viertelstunde zu spät – mit rosigen Wangen und dazu passend im roten Kleid. Sie umarmte mich stürmisch, gratulierte mir überflüssigerweise ein zweites Mal.
»O Mann!« seufzte sie dann und strahlte übers ganze Gesicht.
»He? Verliebt?«
»Kein Stück.« Sie bestellte ebenfalls einen Cappuccino und eine Brioche. »Aber es war unbeschreiblich! Gierig und maßlos und überhaupt!«
Dann schob sie gleich eine Entschuldigungsarie hinterher. Es täte ihr so leid, daß sie mich gerade an meinem Geburtstag habe hängenlassen, das sei egoistisch von ihr gewesen und so weiter und so fort.
»Erstens ist heute mein Geburtstag, und zweitens hätte ich es ganz genauso gemacht.«
Greta lächelte mich dankbar an. »Hat Silvio dich nach Hause gebracht?«
»Hat er. Absolut anständig. Und du? Erzähl mal der Reihe nach.«
»Puh! Wo soll ich anfangen?« Gretas Wangen hatten jetzt einen fast violetten Ton angenommen. »Also, erst haben wir noch getanzt, ewig lange, und dann …« Sie klopfte sich auf die Schenkel und kicherte. »Mein Gott, hört sich das teeniehaft an. Also, irgendwann haben wir uns jedenfalls geküßt …«
»Ich denke, du kannst das nicht?«
»Doch – kann ich! Und wie!«
»Vor den Augen seiner Exfrau?«
»Vorm Klo, wenn du’s genau wissen
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