Liz Balfour
»Sie müssen mich schon raustragen, wenn Sie mich loswerden wollen.« Trish verdrehte die Augen und seufzte theatralisch.
»Das Herz«, sagte ich zu Trish, während sie mir den Infusionsschlauch wieder anlegte. »Lassen Sie es ihr. Bitte, lassen Sie es einfach liegen, wo ich es hingelegt habe.«
Trish hielt in der Bewegung inne und sah mich mit großen, überraschten Augen an. »Natürlich! Was denken Sie denn von mir?!«
31.
Trish weckte mich nur wenige Stunden später, um mir zu sagen, dass Deirdre aufgewacht war.
»Sie ist jetzt ansprechbar. Aber erwarten Sie nicht zu viel. Sie können sie kurz sehen – und ich meine kurz!«
»Ich kann also mit ihr sprechen?«, rief ich außer mir vor Freude. Ich hatte mich doch gerade erst von ihr verabschiedet. Ich hatte Frieden mit ihr geschlossen. Meine Wut gehen lassen, Deirdre gehen lassen. Ich verstand endlich, was manche Leute damit meinten, wenn sie sagten, man müsse loslassen, um etwas zu bekommen. Eoin sprang auf und legte den Arm um mich, um mir aus dem Bett zu helfen, und ich spürte, wie auch er vor Aufregung zitterte.
Trish holte uns schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. »Gesprochen wird in ein paar Tagen. Bis dahin wird nur ›Hallo‹ gesagt. Alles klar?«
Sie brachten mich im Rollstuhl an das Bett meiner Mutter. Deirdre lag noch genau so da, wie ich sie zurückgelassen hatte. Ich spürte Eoins Hand auf meiner Schulter. Erschrocken sah ich zu Trish.
»Ist sie wieder…«
»Nein«, beruhigte sie mich. »Alles in Ordnung. Sie ist wach.«
»Soll ich euch allein lassen?«, fragte Eoin leise.
Ich sah zu ihm auf und schüttelte den Kopf. Dann wandte ich mich meiner Mutter zu.
»Mam«, sagte ich, und Deirdre öffnete langsam die Augen. »Mam, wie geht es dir?«
Sie lächelte mich an. Mein Blick glitt über die Bettdecke. Das Smaragdherz war weg.
»Wo ist der Anhänger?«, fragte ich Trish.
Die Schwester zog nur lächelnd die Augenbrauen hoch. Deirdres Hand bewegte sich. Ich nahm sie. Sie hatte sie zur Faust geschlossen. Sanft berührte ich sie mit meinen Fingerspitzen, und sie öffnete die Faust. Auf ihrer Handfläche lag das Smaragdherz.
»Naoise«, sagte sie mit leiser, rauer Stimme. Mit einem Finger zeigte sie auf die Schiene an meinem Bein. »Naoises Bein war auch verletzt.« Dann hob sie ihren Blick und sah mir direkt in die Augen. »Ally, mein Kind. Wie schön.«
Ich konnte nicht anders, ich fing vor Glück und Freude an zu weinen.
»Mam«, schluchzte ich. »Mam, du bist wieder da!«
32.
Bereits einen Tag später durfte ich die Intensivstation verlassen und wurde in ein normales Krankenzimmer verlegt. Man verordnete mir noch ein paar Tage Ruhe, aber davon konnte keine Rede sein. Die Polizei stellte mir viele Fragen, da die Feuerwehr ihnen gemeldet hatte, dass der Brand im Cottage kein Unfall, sondern Brandstiftung gewesen war. Sie hatten zwei Verdächtige: Oliver Jenkins und meinen Mann Benjamin. Ich teilte ihnen mit, wie absurd ich diese Überlegungen fand, musste aber zugeben, dass sie recht hatten: Jenkins könnte sich gedacht haben, er hätte bessere Chancen, das Land von uns zu kaufen, wenn das Cottage abgebrannt war. Und Benjamins Motiv könnte Rache aus enttäuschter Liebe gewesen sein. Ich war froh zu hören, dass Jenkins ein wasserdichtes Alibi hatte und auch der Verdacht gegen Benjamin nach ein paar Tagen fallengelassen wurde.
Benjamin und ich sahen uns ein letztes Mal, bevor er zurück nach London flog. Nun, da alles zwischen uns geklärt war, konnten wir wieder einigermaßen offen miteinander reden.
»Wir haben uns auseinandergelebt«, sagte er. »Ich habe das jetzt verstanden. Wir wollen beide etwas anderes. «
»Ich dachte lange Zeit, dass wir dasselbe wollten.«
Er seufzte. »Aber deine Wurzeln waren stärker, nicht wahr? Bleibt mir nur, dir zu wünschen, dass du glücklich wirst.«
Ich legte meine Hand auf seinen Arm. »Wir hatten eine wunderschöne Zeit. Du warst mein bester Freund, und ich habe dich über alles geliebt.«
Er zog verlegen seinen Arm zurück. »Warum kannst du nicht…« Er brach ab.
»Wir haben uns irgendwann verloren. Tut mir leid.«
»Ich bin dran schuld, nicht wahr?«, sagte er bitter.
»Nicht mehr und nicht weniger als ich.«
Benjamin schwieg eine Weile, dann nickte er. »Pass auf dich auf.«
»Du auch.«
Als er ging, fühlte ich mich erleichtert. Aber Trauer war trotzdem in mir. Es war ein freundschaftlicher Abschied, aber wir würden keine Freunde bleiben, das wusste ich.
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