Lob der Faulheit
schwerer Schlag.
Leider verwechseln die meisten Fitness und Leistung mit Gesundheit. Fitness bezeichnet die Fähigkeit, mit bestimmten Anforderungen fertig zu werden. Leistung misst, wie gut man dies
tut, und Gesundheit könnte man als Zustand des Wohlbefindens, zumindest des Freiseins von Krankheit definieren. Man kann fit und leistungsfähig sein, ohne gesund zu sein. Nicht wenige Sportler sind ernsthaft krank. Der Olympiasieger im Gewichtheben, Matthias Steiner, beispielsweise leidet an Diabetes und muss täglich Insulin spritzen.
Umgekehrt kann man gesund sein, ohne über eine besondere Fitness oder Leistungsfähigkeit zu verfügen.
Aus der Joggingbewegung erwuchs mit der Zeit eine neue Landplage: die Marathonläufe. Nicht genug, dass Jogger die Ruhe der schönsten Parks empfindlich stören, jetzt toben auch noch jedes Jahr Horden von Marathonläufern durch die Großstädte der westlichen Welt.
Die Relation von Zuschauern zu Läufern spiegelt sehr gut die wahren Verhältnisse. Die Bewegungsbilanz der Bevölkerung ist nämlich negativ. Mindestens 80 Prozent der Erwachsenen bewegen sich nicht genug.
Jetzt höre ich schon den Chor meiner Kritiker: »Aber Sie loben doch die Faulheit. Da sehen Sie sie.«
Ich liebe solche Einwände, weil sie mir Gelegenheit geben, positive von negativer Faulheit zu unterscheiden. Wer richtig faul ist, macht nur so viel wie unbedingt nötig, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Weniger wäre selbstschädigend, mehr nichts als blinder Aktionismus.
Das Thema Fitness dient mir als Beispiel für meinen Begriff von Faulheit. Eiserne Disziplin und Trainingseifer beeinträchtigen
die Gesundheit. Die Zahl der jährlichen Sportunfälle übersteigt eine Million.
Ich befürworte die Fitness für Faule. Im Moment haben wir auf der einen Seite ein paar keuchende ExtremsportlerInnen, die von den Medien ins Scheinwerferlicht gerückt werden, auf der anderen Seite im Schatten die schweigende, regungslose Mehrheit.
Von einem Fitnesstraining für Faule würden nicht nur Einzelne profitieren. Es ist ein praktikables Programm, das keinen überfordert, überall ohne Hilfsmittel möglich ist, nichts kostet und keine Verletzungen verursacht. Anders als der Leistungssport fördert es die Gesundheit, die Leistungsfähigkeit und Fitness. Die meisten könnten ein Leben lang beweglich, kräftig und ausdauernd bleiben.
Laotse oder die Kunst des Nicht-Tuns
Wenn man sich der positiven Faulheit verschreibt, hat man einige der größten Denker der Menschheit auf seiner Seite. Am interessantesten scheint mir das Konzept des Taoismus. (Wenn Sie wollen, können Sie auch Daoismus sagen. Ich werde im Folgenden von Laotse und dem Tao te king sprechen. Mir ist aber Laozi, Lao-tzu und Tao te ching und Daodejing ebenso recht. Welche Schreibweisen aktuell sind, wenn Sie dieses Buch lesen, weiß ich nicht. Im Moment ändert sich die Rechtschreibung alle drei Tage. Taoisten ist das egal. Das Wesentliche hat sowieso keinen Namen.)
»Das Tao handelt nicht und doch bleibt nichts ungetan« heißt es im 37. Kapitel des Tao te King. (Im Internet habe ich 24 Übersetzungen dieses Textes gefunden. Diese gehört meiner Meinung nach zu den Besten. Falls es in Ihrer Ausgabe des Tao te king anders steht, bitte nicht nervös werden. Ich versuche, in diesem Buch alles so einfach wie möglich zu sagen. In Wirklichkeit sind die Dinge viel komplexer – oder auch nicht. Alles Ansichtssache.)
Das Prinzip des Nicht-Handelns durchzieht das gesamte Tao te king. Es ist eine wunderbar entspannte Philosophie. Sie streitet nicht, sie missioniert nicht. Sie geht ruhig und unerschütterbar ihren eigenen Weg.
Da das Tao nicht handelt und trotzdem (oder gerade deswegen) alles in vollkommener Harmonie zustande bringt, folgen die Weisen diesem Vorbild. Nicht-Tun bedeutet nicht Nichtstun. Gemeint ist vielmehr ein anstrengungsloses Handeln, frei von
Eifer und Aktionismus. Zur richtigen Zeit wird das Richtige ohne Überspannung des Willens leicht und mühelos getan. Es braucht innere Ruhe, um diesen Zeitpunkt zu erkennen. Keine Hektik, kein unnötiges Eingreifen, den Dingen ihren Lauf lassen: Das umschreibt die Überzeugung der Taoisten. Es gibt keinen Grund, um des Handelns willen zu handeln. Wie das Wasser nimmt man den Weg des geringsten Widerstands und ist doch unaufhaltsam.
Nichts von Bedeutung bleibt ungetan. Aber was ist schon bedeutend?
Laotse gilt als Begründer des Taoismus. Es ist
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