Lob der Faulheit
gelesen, die nach der allseits empfohlenen Darmspiegelung an Hepatitis C erkrankten, weil die Untersuchungsschläuche nicht richtig gereinigt worden waren. Oder denken Sie an die vielen Menschen, die sich im Krankenhaus infizieren.
In unserem Zusammenhang ist der Ausspruch eines Sportmediziners von besonderer Bedeutung: »Wir müssen das Herz in die Enge treiben.« Nur an der Belastungsgrenze sei der Gesundheitszustand des Herzens zu erkennen. Im Grunde genommen ist das eine moderne Form des Gottesbeweises. Wer den Belastungstest überlebt, wird zur Darmuntersuchung geschickt.
René Goscinny hat es leider nicht überlebt. Zusammen mit dem Zeichner Albert Uderzo erfand er die wunderbar widerständigen Comicfiguren Asterix und Obelix. Goscinny starb am 5. November 1977 bei einem ärztlichen Belastungstest. Sein Herz, dermaßen in die Enge getrieben, versagte. Die Ärzte diagnostizierten einen Herzinfarkt. Goscinny ist das wahrscheinlich berühmteste Opfer medizinischer Belastungstests. Den Namenlosen setzt niemand ein Denkmal. (Nun gut, vielleicht ist dieser Absatz eines.)
Zurück zu Morehouse: Nachdem ich sein Buch gelesen und mit dem Fitnesstraining für Faule begonnen hatte, wurde ich durch einen weiteren Zufall auf Gert von Kunhardt aufmerksam. In einem Artikel einer Fachzeitschrift vertrat er die Auffassung, dass fast alle FreizeitsportlerInnen falsch trainieren, indem sie
sich permanent überlasten. Von Kunhardt war Spitzensportler gewesen. Im Modernen Fünfkampf stellte er einen Rekord auf und gewann ein paar Olympiamedaillen. Bei einer Deutschen Meisterschaft kam er ebenfalls auf die vorderen Plätze.
Was ihn mir sympathisch machte, war der Umstand, dass er in der Schule der Kleinste und Schwächste seiner Klasse war und sich während des Barrenturnens beim einfachen Schwingen das Brustbein riss. Ich war zwar nicht der Kleinste und Schwächste, aber beim Barrenturnen in der Schule hätte ich mir einmal fast das Genick gebrochen. Unser Sportlehrer hat noch mal Glück gehabt.
Von Kunhardt hat später beim Training selbst herausgefunden, dass er nur dann stärker wurde, wenn er weit unter seiner Leistungsgrenze blieb. Durch ein dosiertes Training gelang es ihm, sogar im Spitzensport erfolgreich zu werden. Anders als viele andere ist er heute kein Sportinvalide, sondern zählt in seiner Altersklasse immer noch zu den Besten. Er ist heute zusammen mit seiner Frau als Gesundheitstrainer tätig.
Von Kunhardt nennt die Methode, die ihn vom Schwächsten zum Stärksten werde ließ, das Prinzip der subjektiven Unterforderung. Dabei kommt es darauf an, so zu trainieren, dass man jederzeit das Gefühl hat, eigentlich viel mehr leisten zu können. Man joggt nicht, sondern »joggelt«, das heißt, man trabt nur so langsam vor sich her. Nach dem Training fühlt man sich frisch und erholt. Nicht erschöpft, müde und verletzt. Der Effekt ist erstaunlich.
Ich finde von Kunhardts Empfehlungen teilweise immer noch übertrieben. So propagiert er, dass man jeden Tag 9.000 Schritte
gehen sollte. Da steht mir Morehouse mit seinen 30 Minuten pro Woche erheblich näher. Trotzdem finde ich es gut, wenn jemand mit der Autorität eines Spitzensportlers sagt, dass man beim Training nicht schwitzen muss, um fit zu werden.
Als Morehouse sein »Total Fitness in 30 Minutes a Week« schrieb, war ein anderer mit seinem Programm bereits viel erfolgreicher: Kenneth Cooper. Bei ihm musste man eine bestimmte Kilometerzahl in einer festgelegten Zeit sechsmal die Woche schaffen. »Aerobics« hieß sein Credo. Cooper ist ein ehemaliger Major der US Air Force. Mehr muss ich dazu eigentlich nicht sagen. Vielleicht nur noch, dass er seine Meinung inzwischen geändert hat. Nach mehreren Knochenbrüchen und Fußverletzungen – diese Leute schwitzen gerne, und es macht ihnen nichts aus zu bluten – hat er eingesehen, dass es besser ist, weniger zu laufen. Er räumt ein, dass er dadurch heute mehr leistet.
Um das Thema abzurunden, möchte ich wenigstens noch kurz Jim Fixx erwähnen. Fixx (nomen est omen!) landete mit seinem Buch »Das komplette Buch vom Laufen« einen Hit. Er war einer der Wegbereiter der Joggingbewegung. Fixx wollte keinen Tag vergehen lassen, an dem er nicht mehrere Kilometer lief. Er behauptete, dass man dadurch seine Lebenserwartung beträchtlich steigern könne. Am 20. Juli 1984 starb er jedoch im Alter von 52 Jahren nach seinem täglichen Lauftraining. Für seine Anhänger war das ein
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