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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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auch selbst auf mich nehmen. Fas est.
    Die Entscheidung schien seine Qual zu vermindern. Eine Zeitlang lag er ruhig, dann schaute er vorsichtig nach dem Steinhaufen hinter sich. Mehr als fünf Tonnen. Achtzehn Jahrhunderte da hinter mir. Die Druckwelle hatte die Krypten aufgesprengt, er sah Knochen zwischen den Steintrümmern liegen. Er tastete mit der freien Hand herum, griff etwas Glattes und scharrte es frei. Er ließ es neben das Ciborium in den Sand fallen. Der Kieferknochen fehlte, aber der Schädel war intakt, bis auf ein Loch in der Stirn, aus dem ein trockener, halbverrotteter Holzsplitter ragte. Er sah wie der Überrest eines Pfeils aus. Und der Schädel wirkte sehr alt.
    »Bruder«, flüsterte Abt Zerchi, denn nur ein Mönch des Ordens konnte in den Krypten begraben gewesen sein.
    Was hast du für sie getan, Knochen? Sie lesen und schreiben gelehrt? Ihnen geholfen, wieder aufzubauen? Ihnen Christus wiedergegeben? Hast du geholfen, eine Kultur wiederherzustellen? Hast du daran gedacht, sie zu warnen, daß es niemals das Paradies sein könnte? Natürlich hast du sie gewarnt. Sei gesegnet, Knochen, dachte er und zeichnete ein Kreuz mit dem Daumen über die Stirn des Schädels. Für alle deine Mühen haben sie dich mit einem Pfeil zwischen die Augen belohnt. Denn da liegen mehr als fünf Tonnen und achtzehn Jahrhunderte da hinten. Ich denke, da sind etwa zwei Millionen Jahre, da hinten – seit dem ersten Homo inspiraturs.
    Er hörte die Stimme wieder: die weiche Echostimme, die ihm vor einer Weile geantwortet hatte. Diesmal war es eine Art kindlicher Singsang: »Lalalalal…«
    Obwohl es die gleiche Stimme war wie die, die er im Beichtstuhl gehört hatte, konnte es doch wohl nicht gut Mrs. Grales sein. Mrs. Grales würde Gott vergeben haben und nach Hause gerannt sein, wenn sie rechtzeitig aus der Kapelle hinausgekommen wäre – und bitte, Herr, vergib die Umkehrung. Doch er war noch nicht einmal sicher, daß es wirklich eine Umkehrung war. Hör zu, alter Knochen, hätte ich Cors das sagen sollen? Höre, mein lieber Cors, warum verzeihen Sie Gott nicht, daß er Leiden zuläßt?
    Wenn er es nicht täte, dann wären menschlicher Mut, Tapferkeit, Adel und Selbstaufopferung aller Dinge ohne Bedeutung. Und Sie hätten außerdem keinen Job, Cors.
    Vielleicht ist’s das, was wir vergessen haben zu erwähnen, alter Knochen. Bomben und schlechte Laune. Als die Welt bitter wurde, weil sie irgendwie das halberinnerte Paradies nicht schaffte. Die Bitterkeit war im wesentlichen gegen Gott gerichtet. Höre, Mensch, du mußt die Bitterkeit aufgeben – »ihm Vergebigung geben, Gott«, wie sie’s gesagt hat –, das ist wichtiger als alles andere, wichtiger sogar als die Liebe.
    Aber Bomben und schlechte Laune. Die Menschen haben nicht vergeben.
    Er schlief eine Weile. Es war ein natürlicher Schlaf und nicht dieses den Verstand raubende Nichts der Finsternis. Regen fiel und klärte die Luft vom Staub. Als er erwachte, war er nicht mehr allein. Er hob seine Wange aus dem Schlamm und betrachtete sie unfreundlich. Drei von ihnen saßen auf dem Schutthaufen und beäugten ihn mit begräbnishafter Feierlichkeit. Er bewegte sich. Sie breiteten schwarze Schwingen aus und zischelten nervös. Er schnippte einen kleinen Stein in ihre Richtung. Zwei schlugen die Flügel und kletterten in die Höhe, um zu kreisen, doch der dritte blieb sitzen, machte nur einen kleinen Schütteltanz und beäugte ihn dann wieder voll Ernst. Ein dunkler und häßlicher Vogel, aber nicht wie jener andere Finstere. Der hier war nur nach dem Körper lüstern.
    »Die Mahlzeit ist noch nicht ganz fertig, Bruder Vogel«, erklärte er gereizt. »Du wirst noch warten müssen.«
    Es würden nicht viele Mahlzeiten in der Zukunft für den Vogel bereitstehen, ehe er selber eine Mahlzeit für jemand anderen werden würde, stellte Zerchi fest. Seine Federn waren versengt vom Blitz, ein Auge war geschlossen. Das Tier war durchnäßt vom Regen, und der Regen, nahm Zerchi an, war selber voller Tod.
    »Lalalalala wartewartewartewarte bisesaufhört lalala…«
    Wieder die Stimme. Zerchi hatte schon befürchtet, es könne eine Halluzination sein. Aber der Vogel hörte sie auch. Er schielte beständig nach etwas außerhalb von Zerchis Gesichtsfeld. Schließlich zischelte er heiser und flog auf.
    »Hilfe!« rief er schwach.
    »Hilfehilfe«, plapperte die fremde Stimme.
    Und die zweiköpfige Frau kam um den Schutthaufen herum vor seinen Augen. Sie blieb stehen und blickte auf

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