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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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ham’se ’n dem eine gegeben?«
    »Fragen Sie ihn doch?«
    »Ham wir gemacht. Ich versuch grad, mich zu entscheiden. Ob wir Sie mitnehmen und einbuchten oder Ihn’n bloß’n Strafmandat aufbrummen. Der Gerichtsdiener sagt, Sie sind ne Persönlichkeit hier in der Gegend. Was machen Sie denn so?«
    Zerchi wurde rot. »Und dies bedeutet Ihnen wohl überhaupt nichts?« Er berührte sein Brustkreuz.
    »Nee, nich, wenn der Kerl, der’s trägt, andern Leuten die Nase einschlägt. Also, was machen Sie?«
    Zerchi schluckte den letzten bescheidenen Rest seines Stolzes hinunter. »Ich bin der Abt der Brüder vom heiligen Leibowitz im Kloster, das Sie da unten an der Autobahn liegen sehen.«
    »Und das gibt Ihn’n das Recht, Leute anzugreifen?«
    »Es tut mir sehr leid. Wenn Doktor Cors mich anhören will, werde ich mich bei ihm entschuldigen. Wenn Sie mir eine Vorladung geben, verspreche ich zu erscheinen.«
    »Fal?«
    »Das Gefängnis ist voller Evakuierter.«
    »Hörn’se mal, wenn wir die ganze Geschichte einfach vergessen, versprechende dann, sich hier nich mehr sehen zu lassen und Ihre Bande dort zu lassen, wo se hingehört?«
    »Ja.«
    »Na schön. Ziehn’se los. Aber wenn’se hier auch nur vorbeifahrn und ausspucken, dann sindse dran!«
    »Danke.«
    Eine Drehorgel spielte irgendwo im Park, als sie davonfuhren, und Zerchi, der sich umwendete, sah, daß das Karussell sich drehte. Einer der Polizisten wischte sich über das Gesicht, schlug den Gerichtsbeamten auf den Rücken, und dann gingen alle zu ihren Wagen und fuhren davon. Obwohl fünf Novizen bei ihm im Auto saßen, war Zerchi sehr allein mit seiner Scham.
     

29
     
    »Ich glaube, Sie sind vor diesen Zornesausbrüchen früher schon gewarnt worden?« fragte Vater Lehy den Bußfertigen.
    »Ja, Vater.«
    »Sie sind sich doch darüber im klaren, daß die Absicht ziemlich mörderisch war?«
    »Es war nicht die Absicht zu töten.«
    »Versuchen Sie, sich selber zu entschuldigen?« fragte der Beichtvater.
    »Nein, Vater. Die Absicht war, weh zu tun. Ich klage mich an, gegen den Geist des Fünften Gebotes gesündigt zu haben, in Gedanken und Taten, und ich klage mich an der Sünde gegen die Nächstenliebe und die Gerechtigkeit. Und dafür, daß ich Schande und Skandal über mein Amt gebracht habe.«
    »Es ist Ihnen klar, daß Sie das Versprechen gebrochen haben, niemals Zuflucht zur Gewalt zu nehmen?«
    »Ja, Vater, und ich bereue es zutiefst.«
    »Und der einzige mildernde Umstand wäre, daß Sie einfach rot gesehen haben und zuschlugen. Gestatten Sie sich oft, so vernunftlos zu handeln?«
    Die Befragung ging weiter, und der Herr des Klosters lag auf seinen Knien vor seinem Prior, der über ihn zu Gericht saß.
    »Nun gut«, sagte Vater Lehy schließlich. »Als Buße werden Sie…«
    Zerchi kam anderthalb Stunden zu spät in die Marienkapelle, doch Mrs. Grales wartete immer noch auf ihn. Sie kniete in einer Kirchenbank neben dem Beichtstuhl und wirkte halb eingeschlafen. Im Innersten verlegen, hatte der Abt gehofft, sie würde nicht mehr da sein. Er mußte seine eigenen Bußgebete sprechen, ehe er ihre Beichte hören konnte. Er kniete vor dem Altar nieder und betete zwanzig Minuten lang die Gebete, die Vater Lehy ihm als Buße für diesen Tag aufgetragen hatte. Als er danach zum Beichtstuhl zurückkam, war Mrs. Grales noch immer da. Er sprach sie zweimal an, ehe sie ihn hörte. Als sie sich erhob, taumelte sie ein wenig. Sie blieb stehen und betastete das Rachelgesicht, untersuchte mit zittrigen Fingern seine Augenlider und Lippen.
    »Stimmt etwas nicht, meine Tochter?« fragte der Abt.
    Sie blickte hinauf zu den hohen Fenstern. Ihre Augen wanderten über das gewölbte Kirchenschiff. »Ja, Vater. Ich spür den Grauenhaften. Der Grauenhafte is nah, sehr nah bei uns hier. Ich spür, daß ich Vergebigung brauch, Vater, und noch was…«
    »Was denn, Mrs. Grales?«
    Sie lehnte sich ganz dicht zu ihm herüber und flüsterte hinter ihrer Hand: »Ich muß IHM auch Vergebigung geben!«
    Der Priester zuckte leicht zurück. »Vergebung, wem? Ich verstehe nicht.«
    »Vergebigung für – IHN, der mich gemacht hat, wie ich bin«, wimmerte sie. Dann zog ein langsames Lächeln ihren Mund in die Breite. »Ich – ich hab IHM nämlich nie dafür verzeihn können.«
    »Gott vergeben? Wie können Sie es? ER ist gerecht, ER ist die Gerechtigkeit, ER ist die Liebe. Wie können Sie sagen…?«
    Ihre Augen flehten ihn an. »Darf’n ne alte Tomatenfrau IHM nich ’n bißchen, ’n

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