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Lockende Kuesse

Lockende Kuesse

Titel: Lockende Kuesse Kostenlos Bücher Online Lesen
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Fenstern im ersten Stock reichte. Kitty war zwar dreizehn, sah aber so klein aus, als wäre sie erst zehn. Beide waren außerordentlich flink und beweglich und brauchten nur wenige Minuten, um das Schlafzimmerfenster zu erreichen, es aufzustemmen und über das Fenstersims hineinzuklettern.
    Die zwei standen zunächst einmal stumm da und bestaunten mit offenen Mündern das luxuriös ausgestattete Zimmer. Kitty fühlte einen herrlich dicken, flauschigen Teppich unter ihren nackten Füßen. Immer auf Geräusche von eventuell herannahender Dienerschaft lauschend, ließen sie die Blicke durchs Zimmer schweifen. Die Möbel waren aus schwarzer Eiche, herrlich auf Hochglanz poliert. Ein wunderschöner riesiger Schrank mit einem ovalen Spiegel stand in einer Ecke. Der bodenlange Spiegel zog Kitty unwiderstehlich an. Sie lüpfte ihren zerschlissenen Rock und machte einen anmutigen Knicks, dann schlug sie rasch die Hand auf den Mund, um ihr Lachen zu unterdrücken. Terry kletterte auf das riesige Himmelbett und hüpfte prüfend, um die Matratze zu testen. An den Wänden hingen wertvolle Gemälde, und auf dem Schreibtisch standen ein silbernes Tintenfass und ein mit Juwelen geschmückter Brieföffner. Auf einem Tischchen neben dem Bett lag allerlei kleiner, verlockender Krimskrams, bei dessen Anblick es Kitty unwiderstehlich in den Fingern juckte. Sie wählte eine silberne Schnupftabakdose und einen leuchtend bunten Briefbeschwerer. Terry zog die kleine Tischschublade auf und rang nach Luft, als er sah, dass sie voller Goldsovereigns war. Rasch packte er eine Hand voll davon. Die Stille wurde jäh unterbrochen.
    »Was in Dreiteufelsnamen geht hier vor? Wer zur Hölle seid ihr?«
    Kitty blickte zu dem großen Mann auf, der sich vor ihnen auftürmte. Es kam ihr vor, als wäre er mindestens zwei Meter groß.
    »Patrick John Francis O'Reilly«, hauchte sie.
    »Höchstwahrscheinlich!«, dröhnte der Sohn des Squires mit donnernder Stimme. Sie blickte hinauf in leuchtend helle, blaue Augen, auf eine arrogante Nase und einen ebenso arroganten Mund, sowie ein kräftiges, eckiges Kinn. Er blickte hinunter auf das schönste Kind, das er je gesehen hatte. Sie besaß wunderschönes, langes, lockiges, schwarzes Haar, so wild wie ein Brombeerbusch, ein von Natur aus leuchtend rotes Mündchen sowie hohe Wangenknochen, die von Wind und Wetter gerötet waren. Ihre Augen waren von einem samtigen, tiefen Braun und wurden von dichten schwarzen Wimpern umkränzt. Sie warf Terry einen warnenden Blick zu, der ihn mahnte, den Mund zu halten und sie reden zu lassen.
    »Mylord, ich muss Euch wohl die Wahrheit sagen und mich Eurer Gnade anheim stellen.« Sie legte eine dramatische Pause ein, dann stürzte sie sich in ihre Geschichte.
    »Mein Bruder Terrance hier hat diesen Briefbeschwerer und diese Schnupftabakdose gestohlen, aber Heilige Maria, Ihr könnt ihm das nicht wirklich vorwerfen, denn er hat seit zwei Tagen nichts mehr gegessen.«
    Sie machte eine wirkungsvolle Pause, dann fuhr sie fort: »Als er die Sachen heimbrachte und mir gezeigt hat, hab ich gesagt, >Terrance, das ist ein Verbrechen, wir müssen die Sachen sofort wieder zurückbringen<, und genau das wollten wir gerade tun, Mylord«, sagte sie mit einem ehrerbietigen Knicksen. Sie bemerkte ein gewisses Funkeln in seinen blauen Augen und dachte, wir werden davonkommen!
    »Ich glaube euch, aber da bin ich wahrscheinlich der Einzige«, brummte Patrick O'Reilly belustigt.
    »Was zum Teufel geht da vor, und was haben diese dreckigen kleinen Ratten in meinem Haus zu suchen?«, donnerte eine laute Stimme.
    »Der verdammte Gutsherr«, murmelte Kitty.
    Seinen Sohn mochte sie ja mit einer aalglatten Ausrede abspeisen können - er schien nicht älter als zwanzig zu sein -, aber der verdammte Gutsherr war ein ganz anderes Kaliber. Er war hart, grausam, egoistisch und schrecklich aufbrausend; er war es gewöhnt, dass alles und jeder ihm aufs Wort gehorchte. Seine Reitpeitsche hing drohend über Kitty, schien jeden Moment auf sie herabsausen zu wollen, da platzte es unversehens aus ihr heraus, »Mylord hat uns hereingebeten.«
    »Ihr verlogenen kleinen Ratten, was zur Hölle sollte er wohl von euch wollen?«, brüllte er empört.
    Kitty schluckte und sagte kühn: »Er hat gesagt, er gibt mir einen Shilling, wenn ich mein Höschen runterziehe.«
    Eine jähe Stille trat ein. Dann warf Patrick den Kopf in den Nacken und lachte dröhnend. Sein Vater fiel wütend über ihn her: »Bei Gott, Saufen,

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