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Lockruf Der Leidenschaft

Lockruf Der Leidenschaft

Titel: Lockruf Der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
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und atmete mit tiefen, regelmäßigen Zügen. Sie spürte, wie Nick ans Bett trat und sich über sie beugte. Seine Lippen streiften leicht über die ihren, und er flüsterte: »Auf dass es dir gut ergehe, mein Liebling.«
    Polly blieb reglos liegen, während in ihrem Kopf die Gedanken umherzuwirbeln begannen. Das Licht erlosch, als Nick vorsichtig die Tür schloss. Polly setzte sich auf, blinzelte in die Dunkelheit und lauschte gespannt. Keinerlei Geräusch drang aus dem anderen Zimmer herüber. Sie sprang aus dem Bett, lief zur Salontür und öffnete sie vorsichtig. Abgesehen von dem Feuer, das frisch geschürt worden war, lag das Zimmer in völliger Dunkelheit. Sie tapste zum Fenster und blickte auf die dunkle Straße hinab, wo die schattenhaften Gestalten zweier Reiter davonritten.
    Ein Brief. Nick hatte gesagt, dass er einen Brief hinterlassen hätte. Mit zitternden Fingern entzündete Polly die Lampe und entdeckte das Stück Papier, das zusammengefaltet auf dem Tisch lag. Der Brief enthielt eine Erklärung und einen Abschiedsgruß voll herzergreifender Süße. In einem Nachsatz, den Nicholas mit einem Abdruck seines Wappenringes besiegelt hatte, hatte er die Übereignung seines gesamten Besitzes an seine Ehefrau im Falle seines Todes verfügt.
    Polly schluckte und drängte energisch die aufsteigenden Tränen zurück. Jetzt war nicht der richtige Augenblick für Weinerlichkeit. Nicholas hatte sie geheiratet, um sie zu rächen, und würde gegen Buckingham antreten. Und es gab nichts, was sie jetzt noch tun konnte, um ihn daran zu hindern. Duelle waren zwar durch mehrere Dekrete für ungesetzlich erklärt worden, doch in der Realität würde niemand einem Gentleman das Recht vorenthalten, eine Beleidigung mit dem Schwert zu beantworten und die Ausübung der Gesetze der Ehre selbst in die Hand zu nehmen.
    Aber konnte sie es nicht doch noch verhindern? Besaß nicht auch sie das Recht, die Gesetze der Ehre für sich in Anspruch zu nehmen? Geradezu verwirrend in seiner Kühnheit und seiner Einfachheit reifte ein Gedanke in ihr heran, auf den sie unverzüglich Taten folgen ließ, und im Handeln fand Polly die Erlösung von der geradezu tödlichen Angst.
    Sie zog Florimells Kniebundhosen und Hemd an, darüber ihre eigenen Reitstiefel und den Reitmantel, und eilte leise die Treppe hinab, hinaus auf die Straße und einmal um die Ecke zu den Ställen. Tiny begrüßte Polly mit freundlichem Wiehern und hielt brav still, um sich das Zaumzeug anlegen zu lassen, während ihre Nüstern vor Vorfreude auf einen Ausritt zu beben begannen.
    »Ich habe nur einen Damensattel, also muss ich dich ungesattelt reiten«, flüsterte Polly und tätschelte den Hals der Stute, ehe sie sich behände auf den Rücken des Tieres hinaufschwang. Anfangs fühlte es sich ein wenig ungewohnt an, doch dann war es herrlich einfach und schien auch wesentlich natürlicher. Männer waren doch die glücklichsten aller Geschöpfe, dachte Polly, und dirigierte Tiny in Richtung Piccadilly.
    Barn Elms lag auf der anderen Seite des Flusses und von dort aus in Richtung Knightsbridge und Chelsea, in der Nähe von Putney Polly kannte den Weg, denn Nick und sie waren ihn einmal entlanggeritten, als sie kurz nach ihrer Rückkehr aus Wilton nach Richmond unterwegs gewesen waren.
    Pollys Kopf war so klar wie die morgendliche Luft. All ihre Gedanken kreisten nur noch um diese eine kristallklare Bedrohung - dass es jenem Mann, der schon einmal alles in seiner Macht Stehende getan hatte, um sie zu verletzen, auch noch gelingen könnte, das zu zerstören, was Polly noch wichtiger war als ihr eigenes Leben. Nicks Liebe zu ihr stand vollkommen außer Frage - aber er hatte sie bereits aus den falschen Beweggründen geheiratet und durfte nicht auch noch deswegen sterben. Sie trieb Tiny weiter an. Ihr Abstand zu Nicholas und Richard konnte höchstens fünfzehn Minuten betragen, und es gab gewiss auch noch einige Formalitäten zu erledigen, doch zu spät zu kommen wäre wirklich die bitterste aller Ironien.
    In dem Augenblick, als sie bei Parson's Green den Fluss überquerte, ging die Sonne auf. Polly hatte nur noch etwas mehr als eine Meile vor sich und ermunterte Tiny, sich noch einmal richtig ins Zeug zu legen. Die Allmende und das Wäldchen von Barn Elms schimmerten im matten Licht der aufsteigenden Sonne. Sieben Pferde standen unter den Bäumen, und durch die frostige Luft hallte das Klirren von Stahl auf Stahl. Tinys Hufe trommelten über den mit Schlamm bedeckten,

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