Lockruf Der Leidenschaft
ihr Gesicht. »Aber ... wenn du jetzt heiraten möchtest, dann aber doch wohl keine -«
» Wage es nicht!« Ein Finger legte sich auf ihre Lippen. »Möchtet Ihr mich heiraten, Mistress Wyat?« Polly zerrte ihn in die Schatten der Scheitelkapelle. »Ich wollte sagen: ein in Newgate geborener und in einer Schenke aufgewachsener Bastard«, flüsterte sie ein wenig verärgert. »Das ist schließlich eine Tatsache, die du auch nie bestritten hast.«
»Es ist eine Tatsache, von der nur Richard und wir beide wissen«, entgegnete Nicholas sanft. »Die Welt aber weiß nur, dass du entweder das uneheliche Kind eines Adligen bist oder die von der Bühne besessene Tochter eines angesehenen Bürgerlichen. Bastarde von Adligen gibt es bei Hofe zur Genüge, und auch um eine vornehme bürgerliche Herkunft schert sich niemand. Also«, wiederholte er geduldig, »willst du mich heiraten?«
»Ihr seid doch verrückt geworden, Mylord.«
»Dann nimmst du also einen Verrückten zu deinem Ehemann?«
Einen Augenblick lang stand Polly schweigend in den kühlen Schatten der Kapelle. Was Nicholas gerade gesagt hatte, war die Wahrheit. Wenn niemand etwas über ihre Abstammung wusste und Nick sich darüber ebenfalls keine Gedanken machte, warum sollte sie dann nicht endlich die siegreiche Hand der Liebe ergreifen? Dieser unbestreitbaren Liebe, die mit einer so unerwarteten Macht über sie gekommen war, als sie sich das erste Mal ihrer leidenschaftlichen Vereinigung hingegeben hatten. Langsam nickte sie und erwiderte sein Lächeln. »Ja, wenn es wirklich das ist, was du dir wünschst, mein Liebling.«
Nick stieß einen erleichterten Seufzer aus und zog sie wieder in das gedämpfte Licht des Mittelschiffs. »Es scheint, als könnten wir nun beginnen, Herr Pfarrer.«
Es war eine kurze Zeremonie in dieser feuchten und zugigen Kirche. Doch Polly nahm weder ihre Umgebung noch den mangelnden Zauber der Trauung wahr. Die ganze Zeit über ließ sie ihre Hand in Nicks ruhen, sprach die entsprechenden Gelöbnisse und fragte sich unablässig, wann sie wohl aufwachen würde. Am Ende setzten die Zeugen pflichtbewusst ihre Unterschrift in das Kirchenbuch, dem Pfarrer wurde sein Obolus übergeben, und die vier traten wieder hinaus in die Nacht.
»John Coachman bringt dich jetzt nach Hause«, erklärte Nick und öffnete Polly die Kutschentür.
Polly blickte zu Nicholas auf und musterte ihn im schwachen Sternenlicht. »Bringt mich nach Hause? Und was ist mit dir?«
»Ich muss noch eine geschäftliche Angelegenheit regeln«, entgegnete Nick gleichmütig. »Aber ich komme, so schnell es geht, nach. Du brauchst jetzt unbedingt dein Abendessen, wie du ja selbst so eindringlich gesagt hattest.« Er lächelte sie neckend an, doch Polly ließ sich nicht einlullen.
»Dann komme ich mit. So hungrig bin ich nun auch wieder nicht, dass mein Abendessen nicht noch etwas warten könnte.«
»Nein«, entgegnete er. »Du wirst mich nicht begleiten.« Das Lächeln verschwand von seinen Lippen und aus seinen Augen, und an seine Stelle trat ein Anflug von Grimmigkeit. »Fahr nach Hause. Ich komme bald nach.«
Polly schüttelte den Kopf. »Ihr könnt mich nicht in der einen Sekunde heiraten und in der nächsten zurückweisen.
Das ergibt keinen Sinn, Mylord.«
Nick seufzte. »Ich meine, mich daran zu erinnern, dass du gerade erst einige recht feierliche Schwüre geleistet hast. Willst du sie so schnell schon wieder brechen?«
»Ich war mir nicht bewusst, Sir, dass ich Gehorsam angesichts von Befehlen versprochen habe, die ich nicht verstehe«, entgegnete Polly scharf.
»Eine Frau zu zügeln und eine Frau zu lieben«, murmelte Richard in der Dunkelheit. »Lass es gut sein, Nick. Es ist vergebene Liebesmüh, und die Nacht wird auch nicht jünger.«
»Die Erinnerung kommt ja gerade rechtzeitig«, entgegnete Nick grimmig. Er hob seine Ehefrau hoch, verfrachtete sie unsanft in die Kutsche und schloss trotz ihrer Proteste die Tür. »Drury Lane, John.« Der Kutscher ließ die Peitsche knallen, die Pferde zogen an und brachten Lady Kincaid, die schimpfte und fluchte wie eine Tavernenmagd, nach Hause zurück. »Keine gute Art, eine Ehe zu beginnen«, seufzte Nick.
»Ehe diese Angelegenheit nicht erledigt ist, kannst du überhaupt keine Ehe beginnen«, erinnerte Richard ihn. »Gehen wir!«
Die drei Männer gingen zum Anleger Temple Stairs und fuhren auf dem Wasserweg hinüber nach Somerset Stairs. Von dort aus gingen sie schweigend zum Herrenhaus des Herzogs von Buckingham
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