Lockruf Der Leidenschaft
hinüber, drehte ihrem Opfer bewusst den Rücken zu und wandte sich an die vier Adjutanten. »Man hat mir erklärt, ich hätte eine Angelegenheit der Ehre unterbrochen, Gentlemen. Ich bitte Euch um Verzeihung für alle Unannehmlichkeiten, die ich damit möglicherweise verursacht habe. Ich bin mir durchaus bewusst, dass Ihr das Feld lieber auf einer Bahre wieder verlassen hättet.«
Hinter ihr erschallte eine Salve boshaften Gelächters. »Gütiger Gott, Mylady, aber ich schwöre es: Ihr fordert noch den Teufel persönlich heraus!«
»Nick, am besten zieht ihr beide, du und Polly, euch für eine Weile aus London zurück. So schnell wird der König nämlich weder dir noch Buckingham vergeben; er hat erst diesen Monat eine weitere Verfügung gegen das Duellieren verabschiedet und wird gewiss nicht gern hören, wenn sie innerhalb so kurzer Zeit missachtet wird.« »Ja, Ihr habt natürlich Recht«, stimmte Buckingham mürrisch zu. »In unserer Abwesenheit wird es dem König leichter fallen, uns wieder zu vergeben. Wenn Meister Knochenflicker nicht sagt, dass ich wie ein angestochenes Schwein verblute, sobald ich mich bewege, mache ich mich auf nach Frankreich.« Nick neigte den Kopf. »Dann fahren wir für ein paar Monate nach Yorkshire.« »Aber ich kann doch Thomas nicht im Stich lassen«, wandte Polly ein.
»Zur Hölle mit Killigrew«, rief Nick ungehalten. »Er wird eben eine Weile ohne dich auskommen müssen, ebenso wie deine sabbernden Bewunderer! Ich bitte dich also, für eine Weile ausnahmsweise nur vor einem begrenzten Publikum aufzutreten. Wir brechen sofort auf!«
Polly dachte gerade darüber nach, dass Thomas vielleicht in der Tat eine Weile ohne sie auskommen müsste, als ihr plötzlich ein weiterer, ganz wunderbarer Gedanke kam. »Aber nur, wenn Sue mit uns kommen darf und wir auf dem Weg dorthin in Wilton Halt machen - für Oliver. Auf diese Weise könnten sie heiraten und sich in einer Wildhüter Hütte einrichten.« Zufrieden strahlte Polly alle Umstehenden an.
Nicholas, der sich im Geiste eine dreiwöchige Reise zu Pferde und in der engen Gesellschaft von Susan und dem unbekannten Oliver vorzustellen versuchte, warf De Winter einen fragenden Blick zu.
»Ja, überlass das nur mir«, entgegnete dieser und hatte Mühe, seine gelassene Miene zu bewahren. »Ich schicke sie euch später nach.«
»Aber bereitet Euch das nicht zu große Umstände, Richard?«, fragte Polly besorgt.
»Das sind Umstände, die Richard gar nicht als solche wahrnehmen wird«, entgegnete Nick entschlossen.
»Gentlemen, sind wir uns in dieser unseligen Angelegenheit also einig?«
»Ja«, stimmte Richard knapp zu. »Es ist zwar ein Skandal, aber wir werden ihn einfach für uns behalten. Keiner von uns wird auch nur ein Wort darüber verlieren.«
»In dem Fall bitte ich, euch rasch verlassen zu dürfen.« Nicholas verbeugte sich förmlich vor seinen ehemaligen Kontrahenten, die den Gruß würdevoll erwiderten.
Bückingham beobachtete die Szene mit einem schiefen Lächeln. Die gegenseitige Ehre war in diesem Fall eindeutig wiederhergestellt, und auch er täte gut daran, die Situation mit Würde hinzunehmen. Wenn diese ganze Geschichte erst einmal nach außen dringen würde, wäre er die Zielscheibe des Spotts schlechthin. »Ihr brecht sofort nach Yorkshire auf?«, fragte Richard, als er die beiden zu ihren Pferden begleitete. »So schnell wie möglich«, stimmte Nick grinsend zu und verschränkte die Hände, sodass Polly einen Fuß hineinstellen und sich auf Tinys Rücken schwingen konnte. »Aber erst einmal muss ich dafür sorgen, dass diese Ehe nicht mehr von der Annullierung bedroht sein kann.«
»Du sprichst in Rätseln«, entgegnete Richard, konnte sich aber nicht länger gegen Nicks ansteckendes Lachen wehren.
»Keineswegs. Polly wird dir alles erklären.«
Polly errötete leicht, als Richard sie fragend ansah. »Mylord geben sich gerade gar nicht wie ein Gentleman«, erklärte sie ausweichend.
»Seit wann muss man sich gegenüber einem Bastardbalg aus Newgate wie ein Gentleman benehmen?«, erkundigte sich Nick und schwang sich auf Sulayman.
»Seit aus dem Bastardbalg eine Lady Kincaid geworden ist«, entgegnete Polly schlagfertig und drückte Tiny die Fersen in die Flanken, sodass die Stute im Galopp über die Allmende preschte. »Nanu, wann hat sie denn gelernt, ohne Sattel zu reiten?«, wunderte Nick sich.
»Vielleicht zu der Zeit, als sie Lady Kincaid geworden ist«, antwortete Richard und lachte leise. »Am
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