Lockruf der Toten / Magischer Thriller
Dämon, mit dem ich zu tun gehabt hatte, wie betörend er gewesen war, wie mühelos man ihm vertraut hatte … und wie viel ich dafür bezahlt hatte.
»Jaime?« Hopes Stimme zitterte, aber die heisere Blutgier war aus ihr verschwunden. »Hilf mir. Bitte.«
Ich widerstand immer noch. Aber machte es Hope dämonisch, dass sie Vergnügen am Chaos fand? Sie hatte uns geholfen, diese Gruppe zu finden. Sie hatte uns nicht ein einziges Mal in Schwierigkeiten gebracht, uns hintergangen oder irgendetwas sonst getan, um Chaos zu
schaffen.
Sie hatte uns allem Anschein nach aufrichtig helfen wollen – einen Ausgleich finden für die Bedürfnisse, die sie vor uns verbarg.
Ich drehte mich um. Wir hatten uns jetzt lang genug in diesem Raum aufgehalten, dass meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten und ich Hopes Gesicht erkennen konnte, glänzend vor Schweiß; ihre Augen glommen immer noch, aber jetzt waren sie von Furcht erfüllt, sogar von Verzweiflung.
»Sie sind da draußen«, sagte sie. »Reden miteinander. Ich kann die Gedanken hören. Dieser Ort – das ganze Chaos – scheint meine Begabung zu verstärken. Ich kriege die ganzen Überlegungen mit, jedes scheußliche …« Sie holte Atem. »May ist der Schlüssel. Sie hintergeht sie. Lügt sie an. Damit kannst du arbeiten.«
»Wie?«
Frustration flammte in ihren Augen auf. »Einfach … damit arbeiten. Irgendwie. Nicht mehr viel Zeit.«
Ich beugte mich vor, um zuzuhören. Sie sprach schnell, sprudelte kleine Informationsfetzen über May und die anderen hervor. Abgerissene Gedanken ohne jeden Zusammenhang, die ich irgendwie interpretieren musste.
Dann keuchte sie. »Jetzt treffen sie Vorbereitungen. Kanister. Streichhölzer.«
Ihr Gesicht verzerrte sich; Erregung kämpfte gegen echte Angst an. Sie packte mich am Arm.
»Du musst mich noch mal niederschlagen«, sagte sie heiser.
Ich griff nach ihrem anderen Arm und zog sie näher. »Sie werden dir nichts tun. Ich hole uns hier raus.«
»Du verstehst nicht …« Sie verschluckte ein Fauchen und holte tief Atem. »Du musst mich niederschlagen.«
»Ich brauche dich aber wach, Hope. Ich werde vielleicht deine Mithilfe brauchen …«
»Dabei, dich umzubringen?« Ihr Blick hielt meinen fest, hart und bohrend jetzt. »Wenn sie dich umbringen wollen, werde ich vielleicht nicht mal versuchen, sie dran zu hindern. Vielleicht helfe ich ihnen sogar.«
Ich glaubte es nicht, aber ich merkte ihr an, dass sie selbst es tat.
»Pack mich an den Haaren und ramm meinen Kopf auf den Boden.«
»Und was, wenn ich dich aus Versehen …«
Sie stürzte sich auf mich. Als ich ihr Gesicht sah, die gebleckten Zähne und die fast dämonisch glühenden Augen, reagierte ich instinktiv, streckte ruckartig die Arme vor und schleuderte sie von mir. Als ich zuschlug, warf sie sich zur Seite, als wollte sie sich von meinen Händen abstoßen, aber die Bewegung ließ sie mit dem Kopf voran gegen die nächste Wand krachen; dann sackte sie auf dem Fußboden zusammen.
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43 Dämonen und Werwölfe
I ch stürzte hin und sank auf den Boden, um ihren Pulsschlag zu überprüfen. Von der Tür her kam gedämpftes Geschepper, als drehte jemand draußen einen Schlüssel im Schloss.
Ich sprang auf.
Licht erfüllte den winzigen Raum. Ich stolperte nach hinten, halbblind, nachdem ich mich so lang bemüht hatte, im Dunkeln zu sehen. Dann sah ich mich nach der Lichtquelle um und fand hoch oben eine in die Decke eingelassene viereckige Scheibe.
Unter der Decke zog sich rings um den Raum ein Regalbrett mit Gegenständen darauf, die aussahen wie ausgestopfte Tiere – nicht die Plüschtier-, sondern die Naturkundeversion. Der Anblick war so unerwartet, dass ich sekundenlang zu einer Krähe hinaufstarrte, bevor ich den Blick von ihr losreißen konnte.
Wieder ein Klicken. Die Tür öffnete sich. Ich sah mich hektisch um in der Hoffnung, vielleicht eine Waffe zu entdecken, die bisher in der Dunkelheit verborgen gewesen war. Es war nichts Brauchbares da. Schuhe! Die Absätze – ich konnte sie so einsetzen, wie ich es bei Botnick vorgehabt hatte, zum Zuschlagen oder …
Ich starrte auf meine Laufschuhe hinunter. Himmeldonnerwetter noch mal!
»Hallo, Jaime.«
May Donovan kam herein, in Rock und Blazer, so gelassen und professionell, als träfen wir uns bei ihr im Büro. Sie lächelte sogar und streckte mir die Hand hin.
»Ich nehme an, ich werde die Formel nicht noch mal verwenden müssen«, sagte sie, als sie vor mir stehen blieb. »Du
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