Lockruf der Toten / Magischer Thriller
bist eine intelligente Frau. Du merkst es, wenn du keine Chance hast.«
Ihr Blick fiel auf Hope. »Immer noch bewusstlos? Aber wahrscheinlich ist das ganz gut so.«
Ein Klicken, als die Tür sich schloss. Ich sah an ihr vorbei und stellte fest, dass vier weitere Leute sich in den winzigen Raum gedrängt hatten. Drei Männer, eine Frau, alle jenseits der vierzig. Auf eine Handbewegung von May hin traten zwei der Männer neben Hope, hoben sie auf und legten sie in die Mitte des Raums.
Etwas war dort in den Zementboden geritzt – ein Symbol, das sie wahrscheinlich in einem Buch gefunden hatten. Als die beiden Männer Hope darauflegten, fiel ihre Hand auf das Edelstahlgitter des Abflusses, glänzend und fleckenlos, ohne jeden Hinweis auf seinen wirklichen Zweck. Nein, natürlich gab es keinen – der einzige Grund, einen Betonraum mit einem Abfluss im Boden zu bauen, war der, dass alle Hinweise fortgespült werden konnten.
Ich schluckte.
Einer der Männer holte den Benzinkanister, den sie an der Tür stehen gelassen hatten, und stellte ihn auf einer Strähne von Hopes Haar ab. Die zweite Frau hatte die Streichhölzer in der Hand; sie drehte das Briefchen zwischen den Fingern, nicht aus Nervosität, einfach zur Unterhaltung. Ich sah mir die Gesichter an, entspannt, unbesorgt und ohne Eile, als bereiteten sie sich auf die nächste öde, aber notwendige geschäftliche Besprechung vor.
Ich öffnete den Mund, um irgendetwas zu sagen, das sie aufhalten würde, aber meine Gedanken und mein Blick kamen nicht von Hope los, dem Kanister, den sie so achtlos auf ihren Haaren abgestellt hatten, den schlanken Fingern mit den abgekauten Nägeln, die ausgestreckt über dem makellos sauberen Abfluss lagen.
»Du kannst wirklich mit den Toten sprechen, nicht wahr, Jaime?«
Ich fuhr zusammen und sah zu May hinüber. Ihre Gesichtszüge waren unbewegt, aber die Augen glänzten fiebrig. Die Augen einer Fanatikerin, die einen Beweis für das Göttliche zu sehen glaubt.
Die zweite Frau räusperte sich. »Sie ist eine gute Schauspielerin, das ist alles. Genau wie die alle.«
»Das glaube ich nicht. Jemand – oder etwas – muss sie zu diesen Gräbern geführt haben.«
In ihrer Stimme schwang die Sehnsucht mit, die ich schon so oft bei Leuten gehört hatte, die jemanden verloren hatten, denen, die verzweifelt glauben wollten. Bei May war es hundertmal stärker.
»Ja, das kann ich«, sagte ich. »Ich sehe sie, höre sie und rede mit ihnen.«
»May, lass sie doch nicht …«
»Ihr glaubt mir nicht? Da steht ein Geist, direkt neben euch. Siebzehn Jahre alt, er heißt Brendan, obwohl ihr euch vielleicht nicht die Mühe gemacht habt, ihn nach seinem Namen zu fragen, bevor ihr ihn mit Benzin übergossen und angezündet habt. Aufgelesen habt ihr ihn …«
Ich sah Brendan an, der mir den Ort nannte, und gab die Information weiter. »Ihr habt ihn mit einer Lüge in euer Auto gelockt, du und Don …« Wieder ein Blick zu Brendan hin, der auf einen großen Mann mit schütterem Haar und einem Grübchen im Kinn zeigte. Ich nickte zu dem Mann hinüber. »Er.«
Die Ausdrücke, die ich jetzt auf den Gesichtern sah, reichten von Triumph bei May über Unglauben bis hin zu widerwilliger Akzeptanz. May lächelte.
»Du und ich, wir haben eine Menge miteinander zu besprechen, Jaime.«
Mit anderen Worten, ich hatte mir gerade einen Aufschub erkauft. Ich versuchte mir die Erleichterung nicht anmerken zu lassen.
»Aber vorher …«, fuhr May fort.
Sie gestikulierte zu Don hinüber, der den Benzinkanister nun aufschraubte und näher an Hope herantrat.
»Nein!«
Ich machte einen Schritt vorwärts, und May packte mich am Arm.
»Bitte zwing uns nicht dazu, deine Bewegungsfreiheit einzuschränken, Jaime. Du weißt, dass wir sie nicht am Leben lassen können. Sie weiß …«
»Aber sie ist eine von uns. Magisch begabt.«
May schüttelte den Kopf. »Fang nicht …«
»Sie ist Halbdämonin. So nennen wir diese Leute. Dämonen nehmen menschliche Gestalt an und schwängern Frauen. Ihre Kinder sehen aus wie Menschen, aber sie haben ungewöhnliche Gaben. Die Fähigkeit, ein Element zu beherrschen, oder höher entwickelte Sinne oder …«
»Die X-Men.« Die zweite Frau verdrehte die Augen. »Ich selbst bin vielleicht ein bisschen zu alt für so was, aber ich habe Söhne im Teenageralter, Miss Vegas. Bitte versuchen Sie es doch eine Spur origineller zu machen.«
»Es sind nicht nur die Elemente oder die Sinne. Hope spürt Chaos. Spürt es und
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