Lockruf der Toten / Magischer Thriller
ihr, du und dieses Mädchen da, wirklich das seid, was ihr behauptet, dann müsste das eure Überreste eigentlich wirkungsvoller machen, oder? Magische Asche.«
Ich wehrte mich in Dons Griff, aber er hielt mich fest. Hinter mir sprachen die beiden Männer abwechselnd die schwächende Formel, und nach dem dritten Versuch sackte May auf dem Boden zusammen. Und damit war auch meine Hoffnung auf Entkommen dahin. Ich hatte die anderen auf die einzige Person in diesem Raum gehetzt, die meine Kräfte zu schätzen wusste – die Einzige, die bereit gewesen wäre, mich am Leben zu lassen.
Ich sah mich hektisch im Raum um. Mein Blick flog zu der Deckenbeleuchtung hinauf. Wenn ich eine Formel gehabt hätte, hätte ich sie zertrümmern, den Raum in Dunkelheit tauchen und entkommen können. Wäre ich ein Werwolf gewesen, hätte ich mir den Fluchtweg freikämpfen können. Wenn ich diese verdammten Absätze getragen hätte, so hätte ich Don wenigstens wirkungsvoll ans Schienbein treten können. Und wenn das Wörtchen wenn nicht wär …
Verdammt noch mal, Jaime. Konzentrier dich auf das, was du hast und was du kannst!
Auf der anderen Seite des Raums sah ich Brendan und Murray in ungläubigem Entsetzen zusehen, wie Don mich festhielt und die anderen anwies, May mit Benzin zu übergießen.
»Brendan! Murray!« schrie ich zu ihnen hinüber. »Die Tür!«
Don runzelte die Stirn.
Murrays Blick teilte mir mit, dass er mich ebenso wenig verstanden hatte wie Don. »Aber der Zauber! Wir können hier nicht raus.«
Brendan dagegen rannte bereits zur Tür. Als er sie erreichte, blieb er so unvermittelt stehen, als sei er gegen eine reale Sperre geprallt. Dann schob er die Finger in den schmalen Türspalt. Sie gingen durch. Er grinste.
»Gut«, sagte ich. »Mach, dass du hier rauskommst, und sieh dich nach einem Geist um. Eine Frau etwa in meinem Alter. Langes schwarzes Haar. Sie heißt Eve. Zeig ihr, wo ich bin.«
Während ich noch sprach, rammte Brendan bereits die Schulter gegen den Spalt. Er kam nicht weit – als sei die Bresche in der Formel nur so breit wie die Lücke selbst. Er schob weiter. Murray eilte zu ihm hinüber, um zu helfen.
»Sie spielt auf Zeit«, sagte Tina. »Sprich die Formel, Don, dann haben wir wenigstens Ruhe.«
Don griff in die Tasche und zog einen kleinen Beutel mit Asche heraus.
Wieder flog mein Blick zu dem Licht hinauf. Dann glitt er zu dem Regalbrett hoch unter der Decke und blieb an einer ausgestopften Fledermaus hängen, die neben einem beinlosen Hund saß. Vor meinem inneren Auge tauchte der Vogel auf, den ich im Garten versehentlich zurückgeholt hatte.
Aber ich konnte nicht. Nicht ohne Werkzeug. Nicht ohne etwas Zeit zum Vorbereiten. Nicht ohne …
Don hob die Hand zum Mund, ein Häufchen Asche auf der Handfläche. Er holte Luft.
»Moment noch!«, sagte ich. »Ihr wollt Magie? Ich kann euch die mächtigste Magie von allen zeigen.«
»Sie würde doch alles versuchen …«, begann Tina.
»Die Macht, die Toten zurückzuholen. Ich kann es tun.«
»Tatsächlich?« Tinas dünn gezupfte Augenbrauen wölbten sich. »Das wird dir in ein paar Minuten sehr gelegen kommen, vorausgesetzt, du kannst es auch bei dir selbst.«
Sie winkte Don zu, er solle mit der Formel weitermachen, aber er hatte die Hand sinken lassen. Die beiden anderen Männer beobachteten mich. Als ich den Ausdruck auf ihren Gesichtern sah, musste ich mir ein hysterisches Auflachen verbeißen.
Mit den Toten sprechen zu können hatte nicht ausgereicht, um sie ihre Pläne ändern zu lassen. Aber die Toten ins Leben zurückholen? Gott spielen? Ganz gleich, wie klar jede logische Vernunft dagegen sprechen mochte, sie konnten nicht anders, als zu hoffen.
»Das ist ein Trick«, schnappte Tina. »Seht ihr das eigentlich nicht? Als Nächstes wird sie uns erzählen, dass sie dafür eine Leiche braucht, und dann werden wir sie mit nach draußen nehmen müssen …«
»Nein, das braucht ihr nicht.« Ich schwenkte die Hand in Richtung Decke. »Es sind reichlich Leichen da.«
»Und ich nehme an, du möchtest, dass wir eine davon runterholen, was bedeutet, wir müssen eine Leiter holen gehen, sie hier runterbringen, deiner Freundin genug Zeit geben, um sich zu erholen …«
»Ich rufe die Fledermaus. Sie hat Flügel, richtig?« Ich schenkte ihnen mein schönstes Showbiz-Lächeln. »Keiner braucht sie runterzuholen, wenn sie fliegen kann.«
Ich wusste, dass sie sich darauf einlassen würden, noch bevor sie es taten. Warum schließlich
Weitere Kostenlose Bücher