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Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Titel: Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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ebenfalls ein rundes Gesicht, war geschmackvoll gekleidet und strahlte in die Kamera. Dem Mann neben ihr reichte sie nur bis zur Brust. Mr Hope hatte schütteres Haar, hängende Schultern und auffallend kräftige Unterarme. Auch er lächelte breit. Das Paar hielt Händchen.
    »Auf dem Bild sehen sie doch ganz vergnügt aus«, sagte Lockwood.
    Ich nickte skeptisch. »Trotzdem kommt TYP ZWEI infrage. George sagt immer, TYP ZWEI bedeutet, dass irgendwer irgendwem etwas angetan hat.«
    »Ja, aber George ist auch ein schauerlicher, fantasieloser Kleingeist. Dabei fällt mir ein, dass wir ihn mal anrufen sollten. Ich habe ihm zwar einen Zettel hingelegt, aber er macht sich bestimmt trotzdem Sorgen. Aber vorher bringen wir unseren Rundgang zu Ende.«
    Lockwood entdeckte keinen weiteren Todesschein und ich hörte nichts mehr. Damit war das Erdgeschoss abgehakt. Unsere Vermutung hatte sich bestätigt. Das, was wir suchten, war oben.
    * * *
    Tatsächlich: Kaum hatte ich den Fuß auf die unterste Treppenstufe gesetzt, fing das Klopfen wieder an. Erst war es so leise wie zu Anfang. Tock-tock-tock , machte es, als würde jemand mit dem Knöchel gegen die Wand klopfen oder einen Nagel in ein Brett hämmern. Von Stufe zu Stufe wurde das Klopfen lauter. Das meldete ich auch Lockwood, der mir wie ein Schatten folgte.
    »Kälter wird es auch«, erwiderte er nur.
    Tatsächlich sank die Temperatur mit jeder Treppenstufe, fiel erst von neun auf sieben und dann, auf halber Höhe der Treppe, auf sechs Grad. Ich blieb stehen und zog mit klammen Fingern den Reißverschluss meiner Jacke zu, den Blick unverwandt nach oben gerichtet. Am Ende der hohen, schmalen Treppe ballte sich die Finsternis. Ich verspürte den Drang, meine Taschenlampe anzuknipsen, beherrschte mich aber, weil mich das Licht nur geblendet hätte. Mit der Hand auf dem Degenknauf ging ich langsam weiter, dem anschwellenden Klopfen und der Eiseskälte entgegen.
    Noch eine Stufe und noch eine. Tock-tock-tock! Das Klopfen hatte jetzt etwas Frenetisches, geradezu Wütendes. Sechs Grad, fünf Grad, dann nur noch vier.
    Die Finsternis am Ende der Treppe war undurchdringlich. Die weißen Geländerstreben über mir glichen gebleckten Zähnen.
    Ich hatte die letzte Stufe erklommen und stand oben …
    … da hörte das Klopfen auf.
    Das Thermometer zeigte immer noch vier Grad, elf Grad weniger als unten in der Küche. Bestimmt bildete mein Atem Wölkchen in der Luft.
    Wir waren sehr nah dran.
    Lockwood schob sich an mir vorbei. Er knipste kurz die Taschenlampe an und sondierte die Lage. Wir standen am Anfang eines Flurs. Tapezierte Wände, geschlossene Türen, Totenstille. Ein Stickbild in einem breiten Rahmen. Verblasste Farben und in Schönschrift der Spruch: Trautes Heim, Glück allein . Ein Wandschmuck aus früheren Zeiten, als es daheim wirklich noch am schönsten und sichersten gewesen war und niemand auf die Idee gekommen wäre, über den Kinderbetten eiserne Amulette aufzuhängen. Vor dem Problem.
    Der Flur war L-förmig. Wir standen am kurzen Ende. Hinter uns erstreckte sich der längere Teil parallel zum Treppenaufgang. Der Parkettboden glänzte. Es gab fünf Türen: eine rechts von uns, eine direkt vor uns und drei weitere am langen Schenkel des »L«. Keine stand offen. Lockwood und ich verhielten uns ganz still, lauschten und beobachteten.
    »Nichts«, sagte ich schließlich. »Sobald ich oben war, hat das Klopfen aufgehört.«
    Lockwood antwortete nicht sofort. »Kein Todesschein«, kam es dann von ihm. Seine schleppende Stimme verriet, dass er die Maladigkeit genauso fühlte wie ich, jene bleierne Schwere, die einen befällt, wenn ein Besucher sich nähert. Lockwood stieß einen leisen Seufzer aus. »Ladys first, Lucy. Such dir eine Tür aus.«
    »Lieber nicht. Weißt du nicht mehr, was los war, als ich mir bei dem Einsatz im Waisenhaus eine Tür aussuchen durfte?«
    »Wieso? Du lebst doch noch.«
    »Aber nur, weil ich mich rechtzeitig geduckt habe. Na gut. Ich entscheide mich für diese Tür hier. Dafür gehst du als Erster rein!«
    Ich zeigte einfach auf die nächstbeste Tür rechts von uns. Wie sich herausstellte, befand sich dahinter ein erst kürzlich renoviertes Bad. Moderne Fliesen blitzten im Strahl der Taschenlampe auf, eine große weiße Badewanne, ein Waschbecken und eine Toilette. Es roch schwach nach Jasminseife und war genauso kalt wie draußen im Flur. Sonst fiel uns nichts auf.
    Lockwood öffnete die nächste Tür. Sie führte in ein ehemaliges

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