Loderne Glut
über seine Ufer getreten war. Sie wollten mit ihr über Tänze sprechen - ein Gebiet, das sie nicht einmal theoretisch beherrschte - und Kleider - Taylor suchte diese für sie aus -und Filme - sie hatte noch nie einen Film gesehen - und Baseball - sie hatte noch nie so ein Spiel beobachtet, wußte aber alles über dessen Regeln; sie hatte in einer Prüfungsarbeit darüber eine Eins geschrieben - und Automobile - sie kam selten aus dem Haus, und falls doch, dann nur mit Taylor und einem Chauffeur; also wußte sie wenig von Autos. Nein, sie war nicht geschickt im Umgang mit Fremden.
»Amanda?« fragte Taylor ein wenig lauter.
»Ja, ich werde es versuchen«, versprach sie aufrichtig. Vielleicht konnte man sich mit einem Hochschulprofessor besser unterhalten als mit anderen Personen.
»Gut«, murmelte Taylor und schien enttäuscht, weil sie gezögert hatte. Er blickte auf die Standuhr am anderen Ende des Eßzimmers. »Du hast dein Frühstück um drei Minuten überzogen. Nun geh hinauf und studiere.«
Sie erhob sich sofort. »Ja, Taylor.« Sie blickte zu ihrem Vater hin. »Guten Morgen«, murmelte sie, ehe sie den Raum verließ.
Als sie in ihrem Zimmer allein war, setzte sie sich an ihren kleinen Schreibtisch, öffnete eine Schublade und nahm ihre Notizen über französische unregelmäßige Verben heraus. Um zehn Uhr arbeitete sie an ihrer Abhandlung über puritanische Ethik. Zweimal verschrieb sie sich bei einem Wort und mußte wieder von vorn anfangen. Taylor bestand darauf, daß ihre Arbeiten immer tadellos aussahen - ohne jeden Schreibfehler.
Um elf Uhr wurde sie von Mrs. Gunston in einem Kellerraum erwartet. Amanda trug einen blauen Gymnastikanzug aus Serge, der ihr nur bis zur Mitte der Waden reichte. Taylor hatte gesagt, daß dieser Dreß für diese Übungen notwendig sei; doch er hatte ein züchtiges langes Kleid entworfen, das Amanda über dem Anzug tragen mußte, wenn sie die Hintertreppe - nicht die Vordertreppe, auf der man sie möglicherweise sehen konnte - zum Kellergeschoß benützte.
Dreißig Minuten lang unterzog Mrs. Gunston Amanda einem rigorosen Trainingsprogramm, zu dem sie schwere Indianerkeulen und mit Gewichten versehene, an den Wänden befestigte Flaschenzüge benützte.
Um elf Uhr dreißig, als es Amanda fast schwindlig war vor Hunger und Erschöpfung, durfte sie siebzehn Minuten in einem mit kaltem Wasser gefüllten Zuber verbringen. Taylor sagte, heißes Wasser ließe die Haut altern.
Dann hatte sie sich, ihrem üblichen Tagesplan folgend, anzukleiden, sich auf das Examen des kommenden Tages vorzubereiten und schließlich Punkt dreizehn Uhr unten beim Lunch zu erscheinen.
Doch diesmal kam es anders.
Als Mrs. Gunston um zwölf Uhr fünfundvierzig mit einem Tablett in Amandas Zimmer erschien, war Amanda tief beunruhigt.
»Ist Mr. Driscoll etwas passiert?« fragte sie, da sie fürchtete, Taylor hätte der Schlag getroffen, wenn er seinen Stundenplan änderte.
»Er ist bei Ihrem Vater«, erwiderte Mrs. Gunston, »und er schickt Ihnen einen neuen Stundenplan.«
Mit vor Verwunderung geweiteten Augen nahm Amanda diesen entgegen.
Von 13 Uhr 17 bis 18 Uhr 12 liest du folgende Bücher: Veblens Instinct of Workmanship
Hoxies Scientific Management
Royces Philosophy of Loyalty
Montgomerys Labor and Social Problems
18 Uhr 00: Umkleiden zum Dinner. Zieh das blaue Chiffonkleid mit Perlen an.
18 Uhr 30: Dinner: Zweierlei gekochtes Gemüse, gedünsteter Fisch, Magermilch, ein ein Zoll dickes Stück Schokoladenkuchen.
19 Uhr 30: Diskussion über die von dir gelesenen Bücher.
21 Uhr 30: Vorbereitung zur Bettruhe.
22 Uhr 00: Bettruhe.
Amanda musterte Mrs. Gunston. »Schokoladenkuchen?« flüsterte sie.
Ein Dienstmädchen kam herein, stellte vier Bücher auf den Tisch und entfernte sich dann wieder. Mrs. Gunston nahm eines von ihnen in die Hand. »Dieser Mann, dieser Dr. Montgomery, der hierherkommt, hat dieses Buch geschrieben. Sie müssen doch wissen, worüber Sie mit ihm reden können, also hören Sie auf, von Kuchen zu träumen, und gehen Sie an die Arbeit.« Sie drehte sich mit geschäftiger Hast um und verließ das Zimmer.
Amanda saß kerzengerade auf einem kleinen harten Stuhl und begann zuerst das Buch von Dr. Henry Raine Montgomery zu lesen. Zunächst kam es ihr so seltsam vor, daß sie gar nichts davon verstand. Da wurde die Meinung vertreten, daß nur die Minen-, Fabrik- und Ranchbesitzer schuld daran waren, wenn Arbeiter streikten.
Amanda hatte bisher wenig über die Männer
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