Lösegeld Für Einen Toten
Und ich bin ihm nicht einmal böse, das ist das Wunder! Auf ihn kann man einfach nicht böse sein - ich jedenfalls nicht.«
»Die Bande zu einem Ziehbruder können ebenso eng sein wie die zwischen Blutsbrüdern«, sagte Cadfael.
»Noch enger als bei den meisten Brüdern. Wir sind wie Zwillinge, die wir auch fast hätten sein können. Eliud kam eine halbe Stunde vor mir auf die Welt und hat sich seitdem verhalten wie ein älterer Bruder. Er wird meinetwegen inzwischen vor Sorge fast umgekommen sein, denn er weiß ja nur, daß ich im Bach fortgeschwemmt wurde. Ich wünschte, wir könnten diesen Austausch beschleunigen, damit er erfährt, daß ich noch lebe und ihn weiter ärgern kann.«
»Zweifellos gibt es außer Eurem Freund und Vetter noch andere«, sagte Cadfael, »die sich wegen Eures Verschwindens Sorgen machen. Ihr seid noch nicht verheiratet?«
Elis grinste wie ein frecher Junge. »Höchstens leicht bedroht. Meine Ahnen versprachen mich schon vor langer Zeit als Kind, aber ich habe es nicht eilig. Es ist das übliche Schicksal eines Mannes, wenn er heranwächst. Man muß schließlich an die Ländereien und an Bündnisse denken.« Er sprach, als spürte er die Bürde langer Jahre, die er akzeptierte, doch nicht freudig begrüßte. Ganz gewiß aber liebte er die Dame nicht. Wahrscheinlich war sie eine alte Spielgefährtin aus seinen Kindertagen, an die er heute kaum noch einen Gedanken verschwendete.
»Dennoch macht sie sich womöglich weit mehr Sorgen um Euch, als Ihr Euch um sie«, meinte Cadfael.
»Ha!« rief Elis und lachte kurz und bellend. »Die doch nicht! Wenn ich im Bach ertrunken wäre, hätte man sie mit einem anderen jungen Mann von Stand zusammengebracht, und das wäre genausogut gewesen. Sie hat mich nicht gewählt und ich sie auch nicht. Nun, sie macht keine Einwände, nicht mehr als ich jedenfalls, denn wir könnten es beide schlimmer treffen.«
»Wer ist denn die Glückliche?« erkundigte Cadfael sich trocken.
»Nun beginnt Ihr zu sticheln, obwohl ich so ehrlich bin«, gab Elis vorwurfsvoll zurück. »Habe ich denn je behauptet, ich wäre ein Haupttreffer? Das Mädchen ist im Grunde nicht schlecht, ein kleines, kluges, dunkles Ding, auf ihre Art recht hübsch, und wenn es sein muß, dann wird sie mir genügen. Ihr Vater ist Tudur ap Rhys, der Herr von Tregeiriog in Cynllaith - ein Mann aus Powys, aber ein enger Freund von Owain, der denkt wie er. Ihre Mutter war eine Frau aus Gwynedd. Das Mädchen heißt Cristina. Ihre Hand wird für ein großes Geschenk gehalten«, sagte der versprochene Stammhalter wenig begeistert. »So ist es, aber ich komme sicher noch eine ganze Weile ohne sie zurecht.«
Sie wanderten über die Burgmauer, um sich warm zu machen, denn das Wetter war gut, aber kalt, und der Junge haßte es, nach drinnen zu gehen, wenn er es eben vermeiden konnte. Er hob das Gesicht zum klaren Himmel über den Türmen, und sein Schritt war leicht und federnd, als ginge er auf weicher Erde.
»Wir könnten Euch Euer Schicksal noch eine Weile ersparen«, schlug Cadfael hinterlistig vor, »wenn wir die Suche nach unserem Sheriff etwas verzögern und Euch hier gefangenhalten, solange es Euch gefällt.«
»Oh, nein!« platzte Elis lachend heraus. »Alles, nur das nicht! Lieber eine Frau in Wales als die Art von Freiheit, die ich hier bekomme. Am besten wäre natürlich Wales ohne Ehefrau«, gab der widerspenstige Verlobte zu, während er über sich selbst lachte. »Verheiratet oder nicht, wahrscheinlich ist am Ende alles dasselbe. Es wird immer Jagden und Waffen und Freunde geben.«
Das kleine, kluge, dunkle Geschöpf mit Namen Cristina, die Tochter von Tudur, hat schlechte Aussichten, dachte Cadfael kopfschüttelnd, wenn sie von ihrem Mann mehr erwartet als einen gutmütigen Jungen, der zwar bereit war, sie zu tolerieren und anzunehmen, der von Liebe aber nichts wissen will. Andererseits hatten viele letztlich gute Ehen auf ähnlich unsicherem Grund begonnen, um später doch einiges Feuer zu entfachen.
Sie hatten bei ihrer Runde den Bogengang zur Innenmauer erreicht, und das Sonnenlicht fiel in schrägen Strahlen kalt und grell auf ihren Weg. Gilbert Prestcote hatte es vorgezogen, seiner Familie dort drinnen hoch im Eckturm eine Wohnung einzurichten, anstatt ein Haus im Ort zu unterhalten.
Zwischen den Zinnen der Burgmauer erreichten die Sonnenstrahlen gerade den schmalen Durchgang, der zu den Privatgemächern hinüberführte, und sie erreichten auch das Mädchen, das jetzt aus der
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