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Lösegeld Für Einen Toten

Lösegeld Für Einen Toten

Titel: Lösegeld Für Einen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Tür ins Licht heraustrat. Sie war das genaue Gegenteil eines kleinen, klugen und dunklen Geschöpfs, denn sie war groß und schlank wie eine Silberpappel, hatte ein zartes, ovales Gesicht und eine blendend helle Haut. Die Sonne glitzerte in ihrem unbedeckten, wogenden Haar, als sie einen Augenblick auf der Türschwelle zögerte und in der Umarmung der Winterluft leicht schauderte.
    Elis, der den Lichtschimmer auf ihrer hellen Haut gesehen hatte, war wie angewurzelt stehengeblieben und starrte gebannt, mit aufgerissenen Augen und offenem Mund, durch den Bogengang. Das Mädchen zog ihren Mantel eng um sich, schloß die Tür hinter sich und schritt energisch über den Wall zum Bogengang, um in die Stadt hinunter zu gehen. Cadfael mußte Elis am Ärmel zupfen, um ihn aus seiner Benommenheit zu wecken.
    Er zog ihn zur Seite und erinnerte ihn daran, daß er sie mit peinlicher Aufdringlichkeit anstarrte, was sie, wenn sie es bemerkte, durchaus als Beleidigung auffassen konnte. Elis folgte gehorsam, doch nach wenigen Schritten fuhr sein Kopf wieder herum, und er hielt abermals inne und ließ sich nicht weiter drängen.
    Sie kam durch den Bogengang und schien sich lächelnd über den schönen Morgen zu freuen, zugleich aber wirkte ihre Haltung ernst und besorgt. Elis hatte sich nicht weit genug zurückgezogen, um unbemerkt zu bleiben, sie spürte seine Gegenwart und wandte ihm abrupt den Kopf zu. Ihre Blicke begegneten sich einen Moment; ihre Augen waren dunkelblau wie Vergißmeinnichtblüten. Der Rhythmus ihrer Schritte brach ab, sie hielt bei seinem Blick inne und fast schien es, als lächelte sie ihn zögernd an wie jemand, den sie wiedererkannte. Ein zartes Rosenrot breitete sich sacht auf ihrem Gesicht aus, bevor sie sich faßte, den Blick abwandte und mit beschleunigten Schritten zum Wachtturm eilte.
    Elis stand stocksteif da und sah ihr nach, bis sie durchs Tor gegangen und verschwunden war. Sein Gesicht war tiefrot.
    »Wer war diese Dame?« fragte er zugleich drängend und eingeschüchtert.
    »Diese Dame«, entgegnete Cadfael, »ist die Tochter des Sheriffs, eben jenes Mannes, den wir lebendig irgendwo in walisischer Gefangenschaft zu finden hoffen und den wir gegen Euch austauschen wollen. Prestcotes Frau ist just in dieser Angelegenheit nach Shrewsbury gekommen und brachte ihre Stieftochter und ihren kleinen Sohn mit, in der Hoffnung, ihren Herrn hier wiederzusehen. Sie ist seine zweite Frau; die Mutter des Mädchens starb, ohne ihm einen Sohn zu schenken.«
    »Kennt Ihr ihren Namen? Den Namen des Mädchens?«
    »Ihr Name ist Melicent«, sagte Cadfael.
    ›Melicent...‹, formten die Lippen des Jungen stumm. Und laut, eher an Himmel und Sonne als an Cadfael gewandt, sagte er: »Habt Ihr schon einmal solches Haar gesehen? Wie gesponnenes Silber und feiner als Spinnenfäden! Und das Gesicht wie Milch und Rosen... Wie alt mag sie sein?«
    »Woher soll ich das wissen? Dem Aussehen nach etwa achtzehn Jahre. Ungefähr im gleichen Alter wie Eure Cristina, würde ich meinen«, erwiderte Bruder Cadfael, ihn etwas unsanft in die Realität zurückreißend. »Ihr würdet ihr einen großen Dienst und Gefallen tun, wenn Ihr ihr den Vater zurückgeben könntet. Und wie ich weiß, brennt Ihr ja auch selbst darauf, nach Hause zurückzukehren«, fuhr er nachdrücklich fort.
    Elis wandte den Blick mühsam von der Ecke ab, um die Melicent Prestcote verschwunden war, und blinzelte verständnislos, als wäre er gerade aus einem tiefen Schlaf gerissen worden. »Ja«, sagte er unsicher und ging benommen weiter.
    Am Nachmittag, als Cadfael in seinem Verschlag im Kräutergarten damit beschäftigt war, den Vorrat von Stärkungsmitteln für den Winter zu ergänzen, kam Hugh herein und brachte einen Schwall kalte Zugluft mit sich, bevor er die Tür vor dem Ostwind verschließen konnte. Er wärmte sich über der Kohlenpfanne die Hände, nahm sich ungebeten einen Becher Wein aus Cadfaels Flasche und setzte sich auf die breite Bank an der Wand. Er fühlte sich in dieser halbdunklen, nach Holz duftenden Miniaturwelt, in der Cadfael so viel Zeit verbrachte und unter Kräuterrascheln seine besten Gedanken fand, wie zu Hause.
    »Ich komme gerade vom Abt«, sagte Hugh, »und habe mir Euch für ein paar Tage ausgeborgt.«
    »Und er war bereit, mich auszuleihen?« fragte Cadfael interessiert, während er einen noch warmen Krug zustöpselte.
    »Um einer guten Sache willen und aus guten Gründen, ja.
    Soweit es nämlich darum geht, Gilbert zu finden und

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